Man stelle sich einmal eine Welt vor, in der Veranstaltungen tatsächlich bis auf den letzten Platz besetzt sind. Wirklich jeder Sitz belegt, keine Lücke, kein vergessener Mantel auf einem freien Stuhl, kein missglückter Spontanbesuch, der noch eine Ecke in der letzten Reihe ergattert. Perfekte Planung, perfekte Anwesenheit, perfekte Menschen. Und damit absolut unrealistisch.
Denn wenn wir ehrlich sind, war vermutlich noch nie eine Veranstaltung bis auf den letzten Platz gefüllt. Irgendwer sagt immer kurzfristig ab, sei es wegen einer Erkältung, eines plötzlichen Netflix-Marathons oder weil einfach niemand Lust hatte, sich durch den Regen zu quälen. Und doch hält sich diese Floskel so hartnäckig wie ein Kaugummi auf dem Kinositz.
Warum also dieser sprachliche Übertreibungsreflex? Weil „Es waren viele da" einfach nicht beeindruckend genug klingt. Weil „Es gab noch ein paar leere Stühle" nach Misserfolg riecht. Weil „Die Veranstaltung war gut besucht" so fad schmeckt wie abgestandener Filterkaffee. Also greifen wir zur ultimativen Publikumsbeschwörung: bis auf den letzten Platz!
Dabei gibt es noch andere Klassiker: „Die Stimmung war großartig" – als ob nicht mindestens drei Gäste heimlich aufs Handy geschaut hätten. Oder „Das Publikum lauschte gebannt", was sich meist als höfliches Stillsitzen mit gelegentlichem Nicken entpuppt.
Doch bis auf den letzten Platz bleibt der unangefochtene Spitzenreiter. Wer möchte schon zugeben, dass in der dritten Reihe fünf Plätze leer blieben, weil ein Junggesellenabschied versehentlich in den falschen Saal gestolpert ist?
Also sagen wir es einfach weiter. Und weiter. Bis eines Tages wirklich niemand mehr absagt und ein Veranstalter aufatmet: „Endlich – es war bis auf den letzten Platz besetzt!"
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