Folge 68

Ich schloss diese Ausbildung cum laude ab, was weniger meiner schlummernden, noch von niemandem erkannten Intelligenz zuzuschreiben war, als eher dem Wettbewerb mit zwei Freunden, die immer die Nummer 1 und 2 waren und ich wollte es ihnen gleich tun, wenn nicht übertreffen. Ich wurde von uns dreien immer nur der drittbeste und automatisch damit verbunden auch immer nur der drittbeste von allen anderen 180 Mitbewerbern. Jedenfalls freute ich mich über den Titel „Senior", der mir wegen kollegialem und sozialem Verhalten verliehen wurde.

So, und nun stand mir die Welt offen. Ich dachte mein Leben lang: Wenn schon, dann g'scheit. Nie mit dem Schmiedl reden, sondern gleich mit dem Schmied. Diese beiden Einstellungen begleiteten mich erfolgreich mein Leben lang.

Und deshalb bewarb ich mich gleich mal bei Daimler Benz in Untertürkheim, Herrn Neugebauer, fand dort Gefallen und wurde sofort eingestellt. Die Korrespondenzabteilung des Kundendienstes sagte mir weniger zu, ich wollte mehr in die Richtung Kundendienstingenieur, Außendienst in Problemfällen. Dort gab es leider keine freien Planstellen und ich wurde daraufhin als Leiter der Abteilung Versuch Großmotoren-Elektrotechnik eingestellt. Dort konnte ich meine technischen Ambitionen ausleben. Leider hatte unsere Abteilung einen Chef, mit dem ich nicht zu Rande kam. Die anderen mussten wohl, ich nicht. Er war ein hinterfotziger Zyniker, der während der Ingenieursbesprechung vor Dienstbeginn jeden der anwesenden Ingenieure niedermachte. Bei mir biss er sich die Zähne aus. Sein größtes zynisches Kompliment, das er mir machte, war, als er mir ein „sonniges Gemüt" bescheinigte. Jeden Morgen gab es die erwartete Konfrontation, auf die sich meine Kollegen schon freuten, weil wenigstens einer da war, der sich traute, ihm kontra zu geben.

Es war schon fast ein Ritual, dass wir uns anschließend in ein abhörsicheres Separé – mit einem Mann weniger, versteht sich – zurückzogen, um ein Thema zu erörtern: „Wie bringen wir unseren Chef um?" Dieses Beisammensein dauerte meist nicht lange, da schon vor meiner Ankunft sämtliche 3714 gewaltsamen Todesarten durchgesprochen, alle verworfen und neue mangels weiterer Fantasie nicht mehr eingebracht wurden. Man beließ es also beim derzeitigen Kenntnisstand, weil auch mir als Neuling nichts mehr zu diesem Mann einfiel. Für Agathe Christie wäre aber die Daimler Benz Abteilung Versuch Elektro Großmotoren ein reichhaltiger Ideenfundus gewesen.

Um auf meinen eigentlichen Arbeitsbereich zurück zu kommen, für den ich letztendlich eingestellt worden war: Ich hatte eigenverantwortlich einen elektrischen Prüfstand zu bauen, an dem unser in Konkurrenz zur MAK und Deutz gebauter Leopard Panzermotor gestartet wird. Ich hatte keine Zeit mehr, den Probestand vor dem Eintreffen der Kommission aus dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung aus Bonn zu testen und kurz vorher stellte ich zu allem Überdruss fest, dass mein sonst so zuverlässiger Elektromeister irgendwo noch zwei Kabel vertauscht hatte. Ich betete zum Lieben Gott, dass das der einzige Fehler blieb. In der Früh um acht sollte ich im Beisein aller wichtigen Honoratioren unseren Versuchsmotor starten, alles starrte gebannt auf den kleinen roten Knopf, ich drückte ihn mit Todesverachtung und … der Motor sprang an und lief, als ob er es schon immer so getan hätte. Das Fauchen und Donnern klang für mich schöner als die 7. von Beethoven.

Fortsetzung folgt