Dießen – Im Mai steht die Kultur im Landkreis Landsberg unter dem Motto „Licht und Schatten". Wer schon vor dem offiziellen Beginn der Kreiskulturtage etwas zu dem Thema erfahren und erleben möchte, der sollte die Ausstellung „Löcher im Licht" nicht verpassen. Regionale und auch internationale Künstlerinnen und Künstler beteiligen sich mit Beiträgen an einem Panorama zeitgenössischer Möglichkeiten das Phänomen des Schattens neu zu sehen. Zur Ausstellung, welche die Ausstellungssaison des Heimatvereins in dessen Jubiläumsjahr einleitet und am Freitag, 25. April, um 19.30 Uhr nach den Osterfeiertagen eröffnet wird, gibt die Dießener „edition Kunstfenster" die elfte Ausgabe ihrer Schriftenreihe DAS KUNSTFENSTER heraus. „Löcher im Licht" ist ursprünglich der Titel eines Buches des englischen Kunsthistorikers Michael Baxandall. Es widmet sich ausführlich dem Schatten, der unsere Wahrnehmung „auf geheimnisvolle Weise" bricht. Baxandall vergleicht Theorien des 18. Jh. zum Phänomen des Schattens in Wissenschaft und Kunst mit denen unserer Tage und kommt zu dem Ergebnis: „Löcher im Licht können uns aufklären... ". Ging es im Jahrhundert der Aufklärung um „Skiagrafie", um exakte Methoden ihrer bildlichen Darstellung, muss heute das Geheimnis der Schatten digitalen Sensoren erklärt werden.
„Die Statue lernt eine Kugel zu sehen"
Baxandall beschreibt u.a. den Diskurs der beiden philosophischen Schulen der Nativisten und der Empiristen. Gehen die einen davon aus, dass unsere Fähigkeiten die Welt wahrzunehmen angeboren sind, glauben die anderen an das Lernen durch sinnliche Erfahrung. Der Philosoph Étienne Bonnot de Condillac erfindet in dem Zusammenhang eine Statue, die nach und nach mit unterschiedlichen Kombinationen der fünf Sinne ausgestattet wird. Nur mit der Kombination von Gesichts- und Tastsinn ist der Statue die Wahrnehmung einer dreidimensionalen Kugel möglich. Solche und andere Fragen stellen sich dem Initiator der Ausstellung und Herausgeber des Kunstfensters Martin Gensbaur, wenn er beispielsweise das Radom bei Raisting malt. Eine Gouache mit dem Motiv legt der Künstler wenigen Vorzugsausgaben seiner Neuerscheinung bei. In einem Textbeitrag und Erstveröffentlichung zu dem Thema beleuchtet der Philosoph Fabian Heubel unter dem Titel „Am Orchideenbach" das unterschiedliche Verhältnis der chinesischen und europäischen Malerei zum Phänomen des Schattens.
Zusammenspiel unterschiedlicher Medien und Positionen
Der Bildteil des Hefts und die Ausstellung im Taubenturm und Kunstfenster überraschen durch Kombination und Gegenüberstellung unterschiedlicher künstlerischer Charaktere und Medien. Der römische Maler Giorgio Ortona, den Gensbaur als einen Nachkommen Caravaggios bezeichnet, findet seine Motive auf Baustellen. Ein Zementsack wird ihm zum Objekt „skiagrafischer" Studien, die Gensbaur mit seinen eigenen Bildern abgestellter Container vergleicht. Innenräume im Gegenlicht faszinieren die Uttinger Malerin Angelika
Böhm-Silberhorn ebenso wie die Tübingerin Carola Dewor. Architektur mit Schlagschatten in scharfem Schräglicht verbinden Bilder der Münchner Fotografin Ingried Stuckenberger und des Uttingers Harry Sternberg. Für sie, wie auch für den Dießener Fotografen Christoph Franke und den Huglfinger Thorsten Fuhrmann gilt es den „entscheidenden Augenblick" zu treffen, wenn der Auslöser gedrückt und Licht und Schatten eingefangen werden. In den auf Reisen in aller Welt entstehenden Aufnahmen der Pariser Fotografin Myriam Tirler ist der Schatten das konstruktiv gestaltende Bildelement. Bei der Dießener Fotografin Sabine Jacobs steht der Kontrast von Hell und Dunkel im Vordergrund. Sie findet ihre aus nächster Nähe gesehenen Motive von verkohltem Holz am Schauplatz eines Waldbrands. Den gewebten Tapisserien der Uffinger Künstlerin Margareta Biegert-Simm und den Bildserien Susanne Kohlers und Uwe Kobolds, beide aus Weilheim, liegen Fotos zugrunde, die digital bearbeitet werden. Auch die dreidimensionale Grafik des Landsberger Künstlers Hans Henning Lüßmann entsteht mit Hilfe des Computers. Der Münchner Künstler Nicolai Schneider thematisiert das Innere der Black Box einer Kamera in Form einer Lichtinstallation. Der gebürtige Dießener Ben Goosens baut Modelle von Innenräumen aus Pappe und verkohlt sie. Nachdem er Fotos davon gemacht hat, vernichtet er die Modelle und es entstehen Leuchtkästen mit beeindruckender Tiefenwirkung. Die Flüchtigkeit der Schatten zeigt sich in der Tuschemalerei der taiwanischen Künstlerin Jiang Sanshi ebenso wie in den Figuren des toskanischen Künstlers Mauro Corbani aus dessen „Giardino d`Artista", deren Schatten an die fernöstlicher Stabpuppen erinnern. Nur in der Schriftenreihe ist auch das englische Künstlerduo Tim Noble & Su Webster mit „Miss Understood & Mister Meanor" aus dem Jahr 1997 vertreten, einer perfiden Visualisierung und Aktualisierung des Höhlengleichnisses von Platon. „Löcher im Licht" sind in der zeitgenössischen Kunst ebenso präsent wie im Barock und im Rokoko. Nur gibt es heute völlig andere Möglichkeiten sie zu inszenieren. Die Ausstellung lädt dazu ein, diese kennenzulernen.
Kunstfenster, Hofmark 13, Heimatverein Dießen / Taubenturm neben der Klosterkirche 26. April - 4. Mai 2025/ Eröffnung 25. April, 19. 30 Uhr / Sa. /So. und 1. Mai, 14 -18 Uhr
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