Folge 120: Can

Jeden Tag lesen Sie auf aloys.news eine neue Folge aus dem Buch des Dießener Journalisten Michael Fuchs-Gamböck. Es trägt den Titel "Er hatte sie alle. 50 Geschichten aus 25 Jahren Rock 'n' Roll-, Rock- & Pop-Abenteuer" und ist vor drei Jahren erschienen.

FRAGE: Bis 1968 war dir Rock 'n' Roll also eher suspekt?
CZUKAY: Sehr suspekt! Ich habe ihn schlicht abgelehnt, weil er für mich keinerlei Substanz hatte. Die Jungen mussten mir beibringen, dass in ihm eine Menge Magie steckt

FRAGE: Und wie stehst du heute zum Rock 'n' Roll?
CZUKAY: Heute ist er die Musik für Spießer, weil es ihm nichts Neues hinzuzufügen gibt, alle Kombinationen ausprobiert sind. In so einer Zeit
können wir – und insbesondere ich – wieder von der Jugend lernen. Die universalen Dilettanten sterben ja nicht aus, sie verändern nur ihr Gesicht und ihre Auftrittsweise.

FRAGE: Ich nehme an, du sprichst von den Techno-Kids ...
CZUKAY: Na klar, von wem sonst? Und es ist nur folgerichtig, dass DJs an Can-Tribute-Alben basteln, und dass ich selbst schon seit einigen Jahren mit Techno-Leuten zusammenarbeite. Underground- Dance ist für mich derzeit die einzige innovative Musikform. Sie ist auch die einzige Musik, die adäquat auf die Zeitumstände reagiert.

FRAGE: War das auch für Can stets wichtigster Anspruch – auf die Zeitumstände adäquat zu reagieren? Schließlich hat man euch ja immer attestiert, dass ihr eurer Zeit musikalisch weit voraus seid ...
CZUKAY: Zunächst mal muss man feststellen, dass wir eine verschworene Gemeinschaft waren. Die sind wir bis heute. Dieser Gedanke war damals jedenfalls neu und eine Reaktion auf das Jahr 1968, in dem alle Welt von Gleichheit und Brüderlichkeit sprach. Wir haben das – als Gruppe – umgesetzt, wir waren in der Tat gleicher als gleich, es gab nie Streit oder Rivalitätskämpfe, etwa ums schnöde Geld. Es war stets klar, dass wir eine Einheit waren. Und aus dieser Reaktion auf die damals aktuellen Umstände heraus schöpften wir die Kraft, künstlerisch etwas Neues zu kreieren.

FRAGE: Dennoch warst du angeblich, vor allem Mitte der 70er-Jahre, mit diesem Kollektivgedanken bei Can gar nicht mehr so zufrieden, oder?
CZUKAY: Stimmt, in dieser Zeit konnte ich damit nicht besonders gut umgehen – was auch dazu führte, dass ich die Band 1978 verließ. Bei Can bestand gelegentlich die Gefahr, dass Dinge zu Tode diskutiert wurden. So etwas hemmt die Kreativität. Konkreter: 1968 und die Jahre danach nahmen wir sämtliche Tracks auf Zwei-Spur-Maschinen auf, andere Möglichkeiten waren für uns entweder unerschwinglich oder sie existierten noch gar nicht. Diese Technik hat in meinen Augen große Vorteile, denn du nimmst deine Idee sofort auf und presst sie auf Platte. Durch diesen Prozess übernimmst du natürlich große Verantwortung für das Ganze, für den Moment, in dem du aufnimmst.
Wenn heutzutage jemand Aufnahmen macht und sie taugen nichts, kann er am nächsten Tag das ganze Zeug von vorne machen und den alten Kram wegschmeißen. Wir hingegen hatten damals weder das Geld noch die Möglichkeiten für einen zweiten Versuch – erst später, als auch wir auf Mehrspurbändern produzierten.

Für mich war das jedoch der Anfang vom Can-Ende. Die Kraft der Spontaneität war nicht mehr so präsent wie zu Beginn unserer Ära. Plötzlich fingen wir an zu diskutieren. Und das war tödlich für uns! Weil damit das ursprüngliche „Konzept des magischen Moments" zerstört worden war.