Raisting/Dießen – Chris Filser hatte sich so auf die Premiere der neuesten Produktion seiner Theatergruppe, den "Ammersee Actors" im Freien beim Gasthof Drexl am Freitagabend in Raisting gefreut. Der Vormittag war am westlichen Ammersee katastrophal verregnet, doch am Nachmittag rissen die Wolken auf. Die Sonne kam endlich zum Vorschein. Zu unsicher war es Wirt und Bedienungen trotzdem mit dem Wetterverlauf, so dass die Aufführung der "Actors in Action" in die Gaststube verlegt wurde. Das machte dem rund 50-köpfigen Publikum jedoch nichts aus – und auch den Darstellern nicht. Die Zuschauer applaudierten mit Bravo-Rufen der Truppe um Impresario Filser nach gut zwei Stunden vollsgestopft mit Sketchen. Mit Recht, denn die "Actors" spielten in Höchstform. 

Mutig waren die Frauen und Männer aus Dießen um Chris Filser schon, als sie innerhalb kürzester Zeit nach Lockerung der Corona-Regelungen zu proben anfingen. Herausgekommen ist kein in sich geschlossenes Stück sondern eine skurrile Aneinanderreihung von in sich nicht unbedingt zusammenhängenden kleinen Szenen. So spielten zwei Damen die "Viereinhalb-Minuten-Ei"-Ehekrachnummer von Loriot nach und eine Darstellerin gab den unglaublichen Zungenbrecher "Lord und Lady Hesketh-Fortescue" von Loriot. Unvergesslich mit Evelyn Hamann als Fernsehansagerin, die sich redlich bemüht das englische "Th" richtig zu pronocieren, doch irgendwann gnadenlos ins Schleudern gerät. Nicht so überzeugend dagegen die Szene mit den gesellschaftlich arrivierten beiden herrschaftlichen Damen, die sich nach belanglosen Förmlichkeiten in die Haare kommen und sich schließlich als waschechte Proletarierinnen entpuppten. 

Dann der erste Auftritt von Chris Filser als gerissener Geschäftsmann Liechtenstein, der den "Watschnmann" als Geschäftsmodell erfunden hat. Hier wirkt der Computerfachmann aus Dießen noch etwas gehemmt, was sich aber im Verlauf seiner späteren Auftritte schnell löste. Auch kam er mit seiner Parodie auf den Mercedesfahrer Winfried Kretschmann, dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg nicht so gut an. Er sprach das Schwäbisch zu schnell. Doch seine Nummer als Sprachforscher Dr. Leinenweber über die Entwicklung der einzelnen Sprachen vom Steinzeitmenschen über das Arabische und Russische zum Bayerischen anhand von Schlüsselszenen war echter Filser. Frech, satirisch, originell. Großartig der "DDR 2.O"-Sketch. Hier ließ das Multitalent Filser im wunderbar säschischen Singsang den ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker darüber schwadronieren, dass seine Pläne von der deutschen Bundesregierung besser umgesetzt wurden, als er es selbst hätte machen können. "Wir haben die Leute eingesperrt", lässt er Honecker mit Blick auf Corona sagen, "aber Ihr sperrt Euch selber ein". Dass er Kanzlerin Merkel als trojanisches Pferd bezeichnete, passte gut in die Corona-Kritik von Filser. Dabei ist Filser ein aufmerksamer Beobachter der Geschichte. Wer kennt denn noch die drei "M", von denen die DDR regiert wurde: Margot, Mielke, Mittag. Er weiß es und bringt die Namen. 

Herrlich wie er den indischen Priester spielt, der mit einem lokalen Bürgermeister in gebrochenem Englisch darüber spricht, wie er mehr Gläubige in die Kirchen bringen möchte. Filser ist kaum zu erkennen in seiner Priester-Soutane und der Perücke mit den kohlrabenschwarzen Haaren. Er nennt das "Mission with Vision". Sein Zugpferd: Eine neue Espressomaschine in der Messe. Hier wie auch bei Honecker zeigt sich das grandiose parodistische Talent von Filser. Mal glänzt er als Immobiilienhai mit Wiener Dialekt, der über seine Frau sagt: "Das war mein teuerster Wagen, doch sie hat ein verdammt gutes Fahrgestell". Dann schwätzt er Schwäbisch, schließlich parliert er in Pseudo-Arabisch oder auch Pseudo-Russisch. Immer versteht man ihn. Merkwürdig. Schade, dass kein Nummerngirl die verschiedenen Szenen ankündigte. So folgt Sketch auf Sketch – manchmal ohne inhaltlichen Zusammenhang. Gut wäre es gewesen, das Ganze etwas zu straffen. – Trotzdem war es ein wunderbarer Premieren-Abend, häufig politisch unkorrekt, manchmal sexistisch. Doch Chris Filser ist der Meinung "Satire darf alles". Eine willkommene Abwechslung an einem Sommerwochenende in tristen Corona-Zeiten. Hingehen, auch wenn man keine Zeit hat, ist meine Empfehlung.

Die Uraufführung war am Freitag, 9. Juli. Weitere Termine am Freitag, 23.7 und Samstag, 24.7. sowie Freitag, 13.8. und Samstag, 14.8. Bei schlechtem Wetter werden die Termine verschoben. Beginn der Vorstellungen ist jeweils um 20 Uhr. Bereits ab 18 Uhr ist Einlass. Reservierung der Karten unter Telefon/Whatsapp 08807/8976. Die Tickets zu 10 Euro werden an der Abendkasse ausgegeben.

Zwei vornehme Damen, die sich als Schlampen herausstellen. Foto: Ammersee Actors
Drei Frauen in einer WG, die sich auf Telefonsex spezialisieren. Foto: Alois Kramer
Chris Filser als indischer Pfarrer mit bayerischem Bürgermeister. Foto: Alois Kramer
Chris Filser als Immobilienhai mit Susanne Liebsch. Foto: Alois Kramer