Landsberg am Lech – Kurz vor Beginn des Konzerts war Hans Ole Thers noch unsicher ob er das geplante Stück von Johann Sebastian Bach (1785 - 1850) – Präludium und Fuge in c-moll, Bachwerkeverzeichnis 546 wirklich spielen solle. Es stand auf dem Programm für Samstag beim 36. Landsberger Orgelsommer in Mariae Himmelfahrt. „Aber es hat doch solch einen gewaltigen Akkord zu Beginn. Ist das nicht zu heftig für die Besucher", meinte der Kopenhagener Organist in perfektem Deutsch. Johannes Skudlik beschwichtigte den berühmten dänischen Musiker, der bis 2017 die Professur für Orgelspiel an der Musikakademie in Kopenhagen innenhatte: „Das ist schon in Ordnung. Die Besucher können ruhig ein bisschen überrascht werden. Die verstehen und schätzen das schon. Du musst die Möglichkeiten der Landsberger Orgel ausnutzen." 

So war es auch. Mit dieser Komposition aus Bachs Leipziger Zeit – ab 1723 – hören wir einen gereiften Bach, dessen Frau drei Jahre zuvor überraschend verstorben war. Wie ein Wehklagen ist eine ab- und aufwärtsgehende Seufzermotivik eingebaut.

Die Meditation zum Motto der Konzertreihe „Bach und Bibel" kam dieses Mal vom Landsberger Martin Schleske. Er las aus dem 10. Kapitel seines Bestsellers „Der Klang". Darin beschreibt der Geigenbauer seine Ergriffenheit, die ihm das Spiel der „Chaconne" von Johann Sebastian Bach auf einer Stradivari von einem Virtuosen in seiner Werkstatt verursachte. „Sie hört einfach nicht auf. Führt zu keinem Ende". In ihr zeigt sich die „geistige Wirklichkeit der Gnade". Sie offenbart „Demut und Tiefe". Nicht nur dass Schleske ein guter Vorleser seines eigenen Buchs war – was übrigens nicht bei allen Autoren der Fall ist – er trat auch in der Apsis vor das Publikum und konnte von allen gesehen werden. Sehr gut. Denn die Stimme aus dem „Off" verbirgt die Person und das ist schade. Man möchte denjenigen sehen, der da zu einem spricht.

Einen guten Kontrast zu Bach war die folgende Fantasie in F-Dur von César Franck. Hier beherrschte kein Korsett den Fluss des musikalischen Gedankens. Daher auch der Name „Fantasie". Hier konnte Thers ganz das Klangvolumen auskosten. Von mächtig bis zart und innig und verspielt. Den Schluss zierte eine zarte Streicherstimme.

Mit "Drei neuen Stücken" aus opus 87 von Charles-Marie Widor (1844 - 1937) beschloss der 67-jährige Thers die Matinee. Wie hätte es anders sein können, ist er doch Spezialist für diesen großen französischen Orgelkomponisten der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Thers hat sämtliche seiner zehn Orgel-Symphonien auf CD eingespielt und alle anderen Werke auch. 

Mit einer fröhlichen Improvisation bedankte sich der große dänische Virtuose für den langanhaltenden Beifall der etwa 150 Zuhörer und war dann auch schon wieder auf dem Sprung zum nächsten Konzert: Am Sonntag um 12 Uhr in der Asamkirche "Maria de Victoria" in Ingolstadt.