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Die große Reise nach dem Abheben. Der Lyriker, Verleger, Herausgeber und Veranstalter Anton G. Leitner aus Weßling feiert am 16. Juni 2021 seinen 60. Geburtstag. Von Sabine Zaplin

Er ist und bleibt ein Wadl-Beisser, der Anton G. Leitner Foto: © Peter Boerboom

Weßling – »Wuisln huifd need« – jammern hilft nicht, heißt es im Gedicht »Fliang leana« (hochdeutsch: »Fliegen lernen«) von Anton G. Leitner. Es bildet den Auftakt zu Leitners Lyrikband »Wadlbeissn«, der 2021 aus Anlass seines 60. Geburtstages im Münchner Volk Verlag erschienen ist. »Fliang leana« ist ein Appell, aufzustehen und nach draußen zu gehen, wo dann nach diesem ersten Schritt alles andere schon fast von allein läuft – »foisd a Voaschdellung davo hosd, wo 's higee kannd nochm Obhem« / »falls du eine Vorstellung davon hast, wohin die Reise gehen könnte nach dem Abheben«.

Anton G. Leitner selbst hatte immer eine sehr klare Vorstellung davon, wohin die Reise gehen sollte. Immer wieder hat er sich mit neuen Ideen auf den Weg gemacht, das erste Mal bereits während seines Jurastudiums in den 1980er-Jahren, als er in München die »Initiative Junger Autoren« (IJA) gründete und für diese das monatlich erscheinende, minimalistische Literaturflugblatt »Der Zettel« herausgab. Ein Mitstreiter aus dieser wilden Studenten- und Jungautorenzeit, Ludwig Steinherr, wird ihm zehn Jahre später zur Seite stehen, als er erstmals die buchstarke Lyrik-Zeitschrift DAS GEDICHT ediert. Dafür hatte er bereits seinen eigenen Verlag gegründet und die bleierne Juristerei inklusive Beamtensicherheit an den Nagel gehängt – »Wia sois leichda wean, wennsd so schwea bisd?« (»Wie soll das Leben leichter werden, wenn du so schwer bist?«).

An Leichtigkeit hat Anton G. Leitner zweifellos gewonnen mit dem beherzten Ergreifen der Feder. Doch sich selbst hat es der geborene Dichter nie leicht gemacht während seiner mittlerweile über 40-jährigen Laufbahn im Dienst der Poesie. Anfang der 90er-Jahre einen Lyrikverlag zu gründen und von diesem leben zu wollen, grenzte in den Augen vieler Zeitgenossen an Leichtsinn. Trotz aller Unkenrufe gelang es Leitner, sich mit seinem Ein-Mann-Betrieb federleicht in die Lüfte zu erheben: Rund um den Verlag entstanden ein Lektorats-Service, eine Lyrik-Akademie mit Seminaren für ambitionierte Dichterinnen und Dichter, ein jährlich ausgeschriebener internationaler Poesie-Wettstreit um die Auszeichnung »Der Lyrikstier«. Zum zwanzigsten Jubiläum der Zeitschrift DAS GEDICHT hob er das Online-Forum dasgedichtblog.de aus der Taufe. Das Flaggschiff des Anton G. Leitner Verlages aber ist bis heute die international renommierte Zeitschrift DAS GEDICHT, die mit einer Auflage von derzeit 3.000 Stück einmal jährlich erscheint und im Abonnement, im hauseigenen Online-Shop dasgedicht.de sowie im Buchhandel erhältlich ist. Einzelne Ausgaben schafften es sogar auf Bestenlisten. Die legendäre Nummer 8, ein »Erotik-Special«, das unter dem provokanten Titel »Vom Minnesang zum Cybersex. Geile Gedichte!« erschien, wurde von Focus im Jahr 2000 zu einem der »100 besten Bücher« gekürt.

Immer hat Leitner gewusst, wohin die Reise gehen könnte. Seine ersten Gedichte schrieb er als Teenager, doch im Gegensatz zu manch anderem frühen Weggefährten hat er nie mehr aufgehört mit dem Dichten. 14 eigene Lyrikbände hat er bislang in renommierten Verlagen veröffentlicht, dazu eine Erzählung und mehr als 40 Anthologien als Herausgeber, insbesondere für den Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv) und für den Stuttgarter Traditionsverlag Philipp Reclam jun.

»Leitner erklärt das Poem zum wahren Instrument der Kommunikation«, schreibt der große Dichter und Lyrik-Kenner Joachim Sartorius über den jüngeren Kollegen. Tatsächlich kommuniziert Anton G. Leitner über und mit Poesie. In der Sprache der Gegenwart kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass dieser Mann mit seinem Lebenswerk ein soziales Netzwerk der Lyrik geschaffen hat. Immer noch sind Kolleginnen und Kollegen aus den Anfängen mit an Bord seines Poesie-Jumbos, und mit jeder neuen Ausgabe von DAS GEDICHT, mit jedem Lyrikseminar, jeder Lesung Leitners aus eigenen Büchern kommen neue Passagiere hinzu und seine Crew wächst auch. Leitners kleine Weltrunde geht weiter.

Ein nächstes Ziel auf dieser Route ist »Wadlbeissn«, sein im Frühsommer 2021 erschienener Gedichtband – das Geburtstagsgeschenk zum Sechzigsten, mitten in der Pandemie von zahlreichen Freunden und Crowdfundern auf solide Beine gestellt. Er habe während der Corona-Krise, die den Verleger und Veranstalter wie alle in der Kunst- und Kreativwirtschaft Tätigen hart gebeutelt hat, »so viel geschrieben wie noch nie« in seinem Leben.

Herausgekommen ist ein dickes Paket an Gedichten, die er in seinem ureigenen Idiom verfasst hat, dem Oberbairischen. Nachdem er zuvor drei Jahrzehnte lang ausschließlich auf Hochdeutsch schrieb, dichtet Leitner seit 2010 auch so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Bereits 2016 erschien sein Mundart-Debüt »Schnablgwax« (edition lichtung, Viechtach). Und jetzt legt er eine weitere zweisprachige Ausgabe nach. Die bairischen Originaltexte und ihre Übertragungen ins Hochdeutsche stehen einander auf Doppelseiten zeilengenau gegenüber. In dem 200 Seiten starken Band finden sich »zupackende Verse«: mal erotische Gedichte, mal satirisch aufgespießte Zeitgeschichte. Immer frech, immer mit scharfem Blick auf die Bruchstellen der Gegenwart – genau so, wie man das seit über 40 Jahren von Anton G. Leitner gewohnt ist.

Kommunizieren, kommentieren, karikieren – dieser Sechzigjährige wird noch lange nicht fertig sein mit dem, was ihn ausmacht: sich immer wieder aufs Neue einzumischen und die Welt aufzumischen. Es verschafft ihm wahre Glücksmomente, das pralle Leben in und zwischen die Zeilen fließen zu lassen, mitten hinein in ein groovendes Gedicht, das aufs Wesentliche reduziert ist. So wie es einem passionierten Wadlbeisser eben zusteht. Einem, der sich über die Jahre hinweg eine an Weisheit grenzende Gelassenheit zusammengereimt hat:

Da scheene Schein // Need oiss, wos is, / Is aa so, wiasd moansd, / Dass is. Awa // Wennsd moansd, dass so / Sei soi, nachad lassmas / Hoid so sei.

Der schöne Schein // Nicht alles, was ist, / Ist auch wirklich so, wie du / Meinst. Aber // Wenn du wirklich meinst, dass es so / Sein soll, dann lassen wir es / Halt so sein.

(Aus: Anton G. Leitner, Wadlbeissn. Zupackende Verse. Bairisch – Hochdeutsch. 200 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen. € 18,- [D] / € 18,50 [A], Volk Verlag, München 2021. ISBN 978-3-86222-352-7; www.volkverlag.dewww.wadlbeissn.de)

Kontakt zum Autor:

Anton G. Leitner

Buchenweg 3 b, 82234 Weßling

Telefon: +49 81 53 / 95 25 22

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

www.dasgedicht.de

www.AntonLeitner.de

www.dasgedicht.de 

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