Dießen – Die Entwicklungsgeschichte des Blues ist untrennbar verknüpft mit der der Gitarre als zentrales Instrument der Popularmusik der letzten 100 Jahre. Ganz ähnlich sieht es aus mit der Karriere von Duke Ellington, einer der bedeutendsten Komponisten des letzten Jahrhunderts und der parallel zu dieser Karriere verlaufenden Entwicklung der Schallplattenindustrie. Diese Entwicklung kulminierte im Phänomen „long player", auch als LP bekannt, genauso wie die Elektrifizierung der Gitarre der wohl wichtigste Aspekt bei der Verbreitung von Blues und Blues-verwandter Musik sein dürfte.

Das Foto zeigt Duke Ellington als Besucher einer Radiostation (entweder fiktiv oder tatsächlich), auf dem er die Pose des Disc Jockeys als Zirkuskünstler mimt. In den Händen hält er mehrere sogenannte 10-inch Long Players, d.h. Schallplatten, die einem Patent seiner Plattenfirma Columbia Records entsprechend einen Durchmesser von zehn Zoll haben. Obwohl das ebenfalls von Columbia entwickelte 12-Zoll Format das kleinere noch im selben Jahrzehnt verdrängte, war die Verfügbarkeit des 10-inch Long Players für Ellington von entscheidender Bedeutung, erlaubte er doch in Verbindung mit einer neuen, langsameren Abspielgeschwindigkeit die Wiedergabe von Kompositionen von bis zu zirka 20 Minuten Dauer.

Genau das war mit dem Vorläufer der LP, der durch 78 Umdrehungen definierten Schallplatte der Vorkriegszeit (Ellingons Musik war seit den späten Zwanziger Jahren auf Schallplatten erhältlich) nicht möglich. Eines der bekanntesten StückeEllingtons, "Diminuendo and Crescendo in Blue" wurde im Jahr 1937 in zwei Teilen auf den A- und B-Seiten einer 78er Schallplatte veröffentlicht, da seine Länge von über 14 Minuten die Länge einer 78er Aufnahme überschritt. Bis in die 1950er Jahre führte Ellington's Orchester diese Nummer oft zweigeteilt auf, bisweilen auch in Verbindung mit dazwischen platzierten Interludes auf dem Klavier, Ellingtons Instrument. Nach einem auf Schallplatte (LP) festgehaltenen Auftritt auf dem Newport Jazz Festival im Jahr 1956, bei dem die Darbietung von „Diminuendo & Crescendo in Blue" ein mittlerweile legendäres, 14-minütiges Solo des Saxofonisten Paul Gonsalves beinhaltete, erhielt das Stück seinen endgültige zweiteilige Form. Die im selben Jahr veröffentlichte LP „Ellington at Newport" war in der Einschätzung des Orchesterchefs selbst als auch in der Kritik von herausragender Bedeutung, und gehört heute zu Ellingtons meist verkauften Werken.

Nachdem die Schallplatte in allen Formaten (78er, 45er Single, LP und Maxi) in den 1980ern und 1990ern durch die Compact-Cassette und besonders die CD verdängt wurde, ist auf internationaler Ebene seit ca. 2010 ein Comeback der Schallplatte zu verzeichnen. Ellingtons Mimik und Gestik auf dem Foto wirken aus heutiger Sicht fast prophetisch: Ohne die LP hätte es sehr viel global wirkende, international kulturprägende Musik wohlmöglich nie gegeben.