Folge 17: Die Toten Hosen 

Selbst manchen Predigten konnte Campino noch etwas abgewinnen: „Es gibt allen Ernstes Pfaffen", grinste er, „die rhetorisch derart ausgefeilte Dinge erzählen, dass ich mir vorstellen könnte, ihnen jeden Sonntag zuzuhören – rein unterhaltungswerttechnisch, du verstehst. Wenn dann auch noch der Orgelspieler den Blues hat, kommt das fast schon einem ‚Wunder' nahe. Doch solche Jungs und solche Gottesdienste sind lobenswerte Ausnahmen."

Tja ja, wir hatten es – weiß Gott – nicht leicht, als man uns die schwere Bürde aufgeladen hatte, die Kirchen dieser Republik unter die gestrenge Lupe zu nehmen. Viel Muff steckte da unter den Domkuppeln, und die Stuckdecken hatten meterdicke Patina angesetzt. 13 Gotteshäuser waren unseren gestrengen ungläubigen Augen ausgesetzt, von der Berliner Gedächtniskirche über den Kölner Dom bis hin zur Frankfurter Paulskirche. Beinahe alle diese heiligen Institutionen fielen bei unserem kritischem Blick durch.

Dabei hätte dieser Test so schrecklich gar nicht ausfallen müssen. Wenn man sich genau überlegt, stehen Gotteshäuser seit beinahe 2.000 Jahren für die älteste Popkultur Europas: Da könnte man klasse Performances miterleben, eindrucksvolle Musik in die Ohrmuscheln geblasen bekommen und eine Menge interessanter philosophischer Gedanken zu hören kriegen.

Noch dazu ist das Ganze ziemlich basisnah, der Eintrittspreis (in Form der Kollekte) lächerlich gering und für Speis und Trank (Hostien, Messwein) ist auch gesorgt. So war's ursprünglich wohl mal geplant, aber die Wahrheit sieht eben – wie zumeist auf diesem Planeten – anders aus.

Klar, es gibt wie immer Ausnahmen von dieser Regel, selbst im Kirchen-Country. „Mein ganz persönlicher Favorit, was die Predigten anging, war die Düsseldorfer Andreaskirche", gestand Trini. „Und das wirklich nicht, weil ich ein gottverdammter Lokalpatriot bin. Aber der Kerl hat sich erst mal höflich vom Urlaub zurückgemeldet, ehe er einige Anekdoten von seinem Spanienaufenthalt zum Besten gab.

Zum Beispiel erzählte er da von einer verschwundenen Leiche, auf welche die Trauergäste inklusive seiner Wenigkeit warteten. Bis die eintrudelte, hatte er sich schon etliche Becher Messwein hinter die Binde gekippt und war dann gut abgefüllt. So ein Mann ist für mich der Oskar Lafontaine unter den Priestern. Eine herrliche rheinische Frohnatur!

Später im Text machte er uns Sündern klar, dass in der Bibel neben schwer ans Herz gehenden, wunderschönen Gebeten nichts als Schweinereien stünden. Und schließlich witzelte er noch in einer kleinen Story am Rande über die Polizei und ihre Dummheit. Kann man besseres Entertainment an einem lausigen Sonntagvormittag verlangen?"

Doch der absolute Winner unseres Tests war natürlich der Hamburger Dom. Dahinter versteckt sich allerdings nicht, wie der Name vermuten lassen könnte, ein ehrfurchtsheischender Prachtbau aus dem Mittelalter, sondern – eine traditionelle Kirmesveranstaltung! Andi, aufgekratzt: „So wie den Hamburger Dom stellen wir uns die Kirche der Zukunft vor: Karussells, dufte Mädels, Bier und Ausgelassenheit! Sich davon einige dicke Scheiben abzuschneiden, täte der real existierenden Kirche verdammt gut!"

Die Weißbier-Träger waren inzwischen geleert, die Stimmung sozusagen göttlich. Jetzt war es an der Zeit fürs Fotoshooting: Campino am Kreuz, grinsend, mit dicker Cohiba zwischen den Lippen. Wölli, mit Messweinbecher in der Hand, Priestermütze auf dem breiten Schädel, ein versoffenes Grinsen um den Mund. Trini und Kuddel, verkleidet als Pfaffe und Nonne, versonnen miteinander knutschend. Und noch so einiger anti-klerikaler Schabernack mehr.

Die Story erschien im Dezember 1991 im WIENER. Zwei Tag nach Veröffentlichung hatte die Chefredaktion eine einstweilige Verfügung wegen „Gotteslästerung" an der Backe, veranlasst von höchster katholischer Stelle. Die heiligen Jungs kamen mit der Sache nicht durch. Manches Mal geschehen eben doch noch göttliche Wunder. Heiliger Bimbam! 

Morgen geht's weiter mit einem Besuch bei Prince 

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