Folge 84: London kann in Island liegen, oder Bjørk ist die Underberg-Fee Bjørk

Während wir auf unser Gepäck warteten, hatte ich eine merkwürdige Begegnung: Direkt neben dem Transportband hockte Bjørk, ihren schlafenden kleinen Sohn auf dem Arm, den sie sacht hin- und herwiegte und dem sie leise ein trauriges Lied auf Isländisch vorsang. Ich ging zu ihr hin, wir hatten uns ein paar Monate zuvor zum Interview getroffen, ich sagte: „Hi". Mehr fiel mir im Moment nicht ein. Es war auch nicht notwendig. „Hi", gab Bjørk zurück und lächelte versonnen. Und das war's. Sie sang weiter ihr Schlaflied. Ich machte die Augen zu. Ich träumte. Es war wunderschön. Ich hätte Bjørk in diesem Moment auf der Stelle geheiratet. Oder als meine Mutter adoptiert. Was hätte ich dafür gegeben, statt des kleinen Sohns in ihren Armen liegen zu dürfen. Dieser endlose Moment der vorbehaltlosen Vertrautheit, mein Gott! Ich zauberte einen Underberg aus meiner Tasche und überreichte ihn Bjørk. Mehr konnte ich im Moment nicht für sie tun.

„Present for you", lächelte ich, „very special stuff. Magic!" – „Thank you very much", lächelte sie zurück. Und damit war es auch gut zwischen uns. Meine Tasche erschien auf dem Endlosband, Bjørk sang weiter.

Ein Bus rumpelte uns mindestens eine Stunde lang durch die taghelle Nacht und durch eine Mondlandschaft voller Krater und schwarzem Geröll. Ich glotzte stier und stetig nach draußen aus dem Busfenster und hatte schon wieder die Vision, tot und in der Hölle zu sein, ohne es mitbekommen zu haben. Bart, Bowle und ich redeten kein Wort auf unserer Fahrt vom Flughafen zum Hotel, mitten in Reykjavik – wir verabschiedeten uns nicht mal voneinander, nachdem wir eingecheckt hatten, sondern verschwanden grußlos auf unseren Zimmern.

Michael Fuchs-Gamböck lebt in Dießen. Foto: Alois Kramer