Folge 111: Killing Joke
Dennoch stotterte ich meine nächste Frage hervor: „Wie kommt es, Jaz", wollte ich wissen, „dass die Musik so existentiell für dich ist?" – „Ich mache Musik, seit ich fünf Jahre alt bin", antwortete er, „sie ist meine große Liebe und alles, was ich kann und tue. Insofern analysiere ich nicht, wie wichtig sie für mich ist, welchen Stellenwert sie in meinem Leben hat. Ich brauche sie schlichtweg, bin süchtig nach ihr."
Genauso wie nach meinem Underberg, schien mir. Es sah inzwischen unheimlich in der Suite aus, denn Coleman und Kumpels hatten die Angewohnheit, die leer getrunkenen, kleinen Fläschchen quer durchs Zimmer zu werfen. Keine Ahnung, wie die hysterische ältere Promoterin auf dieses Schnaps-Schlachtfeld reagieren würde.
Und da stand sie auch schon, mitten im Türrahmen – ekliges, gleißendes Licht fiel ins Zimmer. Wahrscheinlich wollte die Lady uns mitteilen, dass meine Interviewzeit mit der Band abgelaufen sei. Aber zunächst mal sagte sie gar nichts. Sie glotzte einfach nur in die Runde. Dann drückte sie die Tür wieder hinter sich zu mit den schrillen Worten „five more minutes for you".
Jaz, Youth, Geordie und ich, wir starrten uns gegenseitig an – gleich darauf brachen wir in lautstarkes, Magenbitter-getränktes Lachen aus. Klar, dass wir uns nach der Aktion noch einen letzten genehmigten. „Some more questions", wollte Jaz von mir wissen. Nein, keine weiteren Fragen mehr. Ich packte mein Aufnahmegerät weg, während Coleman sich mühsam erhob und Richtung Tür wankte. Ich hörte, wie es einen hitzigen Disput zwischen ihm und seiner Betreuerin gab. Dann wankte Coleman zurück. Er wirkte mit einem Mal sehr müde auf mich.
„No more interviews today", stammelte er, um sich gleich darauf erneut um seine Wasserpfeife zu kümmern. Die drei „Killing Jokes" drückten mir die Hand und grinsten. Ich stolperte nach draußen, mit brodelnden Eingeweiden. Dort nahm mich auf der Stelle die Promoterin in Empfang. „What the hell have you done with the guys?!", brüllte sie mich an.
Keine Ahnung, was sie von mir wollte. „I've done my job", antwortete ich und drückte mich an ihr vorbei. Ich wollte nur noch rauf in mein Zimmer und mich hinlegen. „You've knocked them out", keifte sie hinter mir her. Ich blickte nicht mehr zurück.
Tatsache aber war, dass ich der einzige deutsche Journalist bleiben sollte, der Killing Joke zu ihrem Album Democracy befragen durfte. Tatsache war allerdings auch, dass mir dieser Vorteil nichts einbrachte – ich habe deshalb nicht eine Story mehr verkauft. Und die Scheibe kam in der Kritik allgemein schlecht weg.
Mir gefällt sie nach wie vor – besonders nach einem großen Schluck Underberg. Denn sie ist ja mittlerweile kein Geheimnis mehr, die Kraft wohltuender Kräuter. Auch nicht für Jaz Coleman und seine Kumpels ...
Morgen geht's weiter mit Joe Cocker
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