Ein Interview der Dießener Reisejournalistin Heike Hoffmann mit der Krimi-Autorin, die heute im Lechrain wohnt. Die beiden duzen sich. Warum? Sie haben in Kempten im Allgäu die Schulbank zusammen gedrückt….
Aus dem Inhalt: In den frühen Morgenstunden treibt ein SUP-Board auf dem Starnberger See. Darauf eine übel zugerichtete tote Frau. Es ist der See des Kini und von Sissy, die Sommerfrische der Jahrhundertwende-Intellektuellen. Und heute heillos überrannt: Wassersportgeräte aller Art werden eingesetzt. „SUP an SUP, auch ohne Jesus zu sein, hätte man trockenen Fußes übers Wasser wandeln können." SUPs sind in der Tat das größte Problem, weil leider viel zu viele Verwender überall – auch in geschützten Schilfzonen – die Boards einsetzen. „SUP-Piloten latschen dennoch durch und zerstören die Nester. Merken das teils gar nicht, dass sie aktiv bei der Ausrottung einer Art dabei sind." Sie stören Brutvögel und zerstören Lebensräume – und haben keine Ahnung von Schifffahrtsregeln oder den Bedürfnissen der heimischen Fischer. Da ist viel Konfliktpotenzial, da mordet es sich trefflich …
Heike Hoffmann hat mit Nicola Förg die Schulbank gedrückt. So manche Kneipen der Krimikommissare im Allgäu waren auch ihr Zuhause. Der Zufall wollte es, dass beide dorthin gezogen sind, wo Oberbayern an das Allgäu grenzt, wo es zwischen dem Ammersee, dem Lech und den Bergen noch recht beschaulich zugeht. Doch während die Krimiautorin auf die Frage „Sommer oder Winter" mit „eindeutig Winter" antwortet, zieht es die Foodjournalistin in den mediterranen Süden.
Heike Hoffmann: Du gehörst zu den Vorreiterinnen der Regionalkrimiautoren. Wie entstand die Idee, überhaupt einen Krimi zu schreiben und ihn im Allgäu anzusiedeln?
Nicola Förg: Beim Wort Regionalkrimi muss ich erst mal zusammenzucken. Ich bin gar keine Freundin des Begriffs, weil ich finde, jeder Krimi muss irgendwo verortet sein, ob Donna Leon in Venedig oder Wallander in Ystad… Aber zum Anfang: Ich habe als Journalistin unzählige Reiseführer geschrieben und Bildbände betextet. Der Wunsch ein belletristisches Buch zu schreiben, liegt nahe und als der vor inzwischen 21 Jahren akuter wurde, gab es keine Krimis im Süden der Republik. Da ich selber gerne Krimis – vor allem englische - gelesen habe, dachte ich mir: Schreib ich einen Allgäu-Krimi. Das war nicht abwegig als Reise-Journalistin, der erste Allgäu-Krimi „Schussfahrt" hatte auch ein touristisches Thema. Dass heute Tische sich unter deutschen und vor allem südlichen Krimis biegen, hätte sich 2002 keiner gedacht. Damals war die Idee, im Allgäu einen Krimi zu schreiben, exotisch. Regionalverlage, denen ich das Manuskript angeboten hatte, sagten: „Schreibens doch lieber Heimatgstanzl". Schussfahrt war als der erste Allgäu Krimi überhaupt eine Initialzündung. Heute, wo jede Gemeinde mit mehr als 500 Einwohnern ein eigenes Ermittlerteam hat, mutet das schon komisch an. Die Geister, die ich rief…
Heike Hoffmann: In Garmisch und im Oberland ermitteln inzwischen seit vielen Bänden Irmi und Kathi, zwei selbstbewusste und dabei sehr empathische. Sind „starke Frauen" Dein Thema?
Nicola Förg: Ich finde es charmant, starke Frauentypen zu kreieren. Ich finde es auch überzeugender, wenn ich als Frau mich ins Seelenleben und Privatleben von Frauen hineindenke und seien es nur Reflektionen von Irmi übers Älterwerden, über Falten und Cellulite… Ich mag beide Figuren, weil sie total unterschiedliche Lebensentwürfe darstellen, zwei Generationen und zwei Pole. Irmi ist über Sechzig, definitiv über die Lebensmitte hinaus, sie weiß, dass man nicht unverwundbar und das Leben endlich ist. Das macht sie behutsamer, sie ist eine bodenständige Frau, die sehr gut zuhören und sehr genau hinsehen kann. Kathi hingegen ist Ende Dreißig, sie ist eine Urgewalt, bildhübsch, oft zu schnell in Wort und Tat und doch gutmütig, klar und ehrlich. Sie sind beide echt, sie stammen aus der Region, sind keine Psychopatinen wie oft in TV-Formaten und doch müssen auch sie das Leben und diesen aufwühlenden Job schaffen.
Heike Hoffmann: Wenn man die Gegend kennt, in der die Krimis spielen, stimmt jede Kurve, jeder Baum am Wegesrand. Du bindest aber auch Hintergründe aus Kultur und Geschichte ein. Das ist doch eine immense Arbeit….
Nicola Förg: Natürlich! Das ist mein Beruf! Und da bin ich Journalistin genug, um jedes Thema immer wasserdicht zu recherchieren. Es braucht Tierärzte, Amtstierärzte, Jäger, Biologen, Anwälte, Polizisten – die sich auf ihrem Terrain wirklich auskennen. Ich will ja ein bisschen Wissen mundgerecht „einschmuggeln" und da kann man sich nie Halbwissen oder nur Internetwissen erlauben! Das ist man den Menschen, die sich in einem Themengebiet auskennen, auch schuldig! Und da viele LeserInnen meine Orte nachleben wollen, sind die selbstverständlich authentisch. Wir radeln viel, ich erspüre Orte, ich muss sie sehen, hören, riechen - und es gibt welche, da gehört eine Leiche einfach hin…
Heike Hofmann: In Deinen Krimis geht es auch immer um Tier- und Naturschutz. Mein Eindruck: Du wirst von Band zu Band immer präziser, deutlicher, politischer. Werden die Probleme größer?
Nicola Förg: Ich nehme das als Kompliment. Jeder meiner Krimis hat immer ein zentrales Thema, das mich irgendwann einmal angesprungen hat, bewegt, betroffen macht und beutelt… An kritischen Themen mangelt es nicht, die Welt wird immer schneller, die Menschen immer egomanischer. Es gibt immer wieder Missstände, die mich aufhorchen lassen und ich glaube „Das stille Gift" war da der Punkt, wo ich mich endgültig emanzipiert habe. Bis dahin wurde es ja immer bekritelt, dass ich nicht witzig genug bin und belehre. Aber im „Stillen Gift", wo es um den irrwitzigen Anbau von Energiepflanzen in Monokulturen geht, um die kritische Sicht auf Biogasanalgen und Glyphosat geht, da war ich mutig - und stur. Die Recherche war „sportlich", ich bewegte mich auf dünnem Eis. Ab da wurde es eher zum USP: Die Förg ist im Reigen der bayerischen AutorInnen die mit den Umweltthemen, die den Finger in gesellschaftliche Wunden legt. „Scharfe Hunde": illegaler Welpenhandel, der auch durch die Geiz ist Geil Mentalität entstand. „Wütende Wölfe": die höchst polemische Diskussion um die Rückkehr des Beutegreifers. „Böse Häuser": der Immobilienirrsinn vor den Alpen mit sittenwidrigen Preisen. Ich recherchiere intensiv, es sind auch Bilder, die mich später ohne Vorwarnung anspringen, aber wir alle müssen hinsehen statt wegzusehen und wegzudenken, damit sich etwas ändert! Das bin ich den Tieren, der Natur und den Lesern schuldig!
Heike Hoffmann: Der neue Krimi „Hohe Wogen" spielt am Starnberger See, dem Top-Naherholungsgebiet der Münchner, was Konflikte bringt. Aber stimmt das Klischee vom zerstörerischen Städter und den Naturmenschen auf dem Land überhaupt?
Nicola Förg: Überall ist das Kernproblem, dass zu viele Menschen mit zu vielen Freizeitaktivitäten und dazugehörigen Geräten die Wildtiere immer weiter zurückdrängen und stressen. Ich war oft mit Rangern im Gespräch, sie betreiben nur noch Besucherlenkung, sie sind nur noch Erklärbären, die den Freizeitwütigen sagen, warum sie etwas nicht tun sollen. Mit Corona blieben alle in Deutschland. Alle beseelt, dass genau am Tag X das ultimative Erlebnis hermuss. Ohne eventuell einen Plan B zu haben, wenn es irgendwo extrem voll ist. Aber statt womöglich umzuplanen, parkt man Wiesen, Wege, Einfahrten zu. Es gibt alpine Regionen, die Wege bereits „entschildert" haben, wo Regionen Outdoor-Plattformen bitten, Touren herauszunehmen, weil der Ansturm für die Natur und die Wildtiere nicht mehr kompensierbar ist. Auch ein egoistischer Weilheimer ist eine Bedrohung, es ist schwer zu sagen, wer sich als Einheimischer bezeichnen darf, aber darum geht es auch nicht: An alle geht der Weckruf, über den Tellerrand zu sehen, was das Freizeitverhalten betrifft. Alles ist via Internet in 24 Stunden da, ich kann alles binnen Sekunden auf sozialen Netzwerken kommentieren. Das verdirbt, man will auch das Freizeiterlebnis jetzt und sofort und perfekt. Aber das geht nicht immer oder nur zum Nachteil von Tieren und anderen Menschen!
Heike Hoffmann: Du schreibst nicht nur Krimis – welches sind die anderen Bücher und wovon handeln sie?
Nicola Förg: Ein Herzensprojekt war der im Herbst 2021 erschienene Roman Hintertristerweiher, der auf zwei Zeitebenen eine Geschichte über das Ungesagte zwischen der Kriegsgeneration und den Nachgeborenen, über Heimat und Heimatlosigkeit, Seelenorte und Seelenverwandte erzählt. Aurelie, eine französischstämmige Lehrerin aus München, wird von ihrer Tante Isabelle als Erbin eingesetzt. Neben Immobilien am französischen Atlantik umfasst es auch einen Tiergnadenhof sowie eine Seegaststätte am Hintertristerweiher. Bedingung: Aurelie muss ein Jahr den Hof führen; gelingt das zur Zufriedenheit, wird das Erbe, das alles in allem rund 20 Millionen umfasst, freigegeben. Wenn nicht, dann erbt jemand anderer. Perfide daran: Der Notar sagt nicht, wer der Alternativerbe ist. Auch hier geht es um zwei tolle Frauen … Was ich auch mag, ist mein Weihnachtsbuch Das Winterwunder von Dublin und der humorige Roman Glück ist nichts für Feiglinge, in dem eine junge Frau ihrer Katze, die wohl in den Bus des Nachbarn eingestiegen ist, bis nach Island hinterher reist. Fatal: Die Katze hat vorher noch Verstörendes mir einer Catcam aufgenommen …
Heike Hoffmann: Zu guter Letzt – was bringt die Zukunft. Auf welche Förg-Bücher dürfen sich die Fans freuen? Geht Irmi in Rente und Weinzirl-Kathi machen weiter?
Irmi ermittelt wohl noch einem 14. und 15. Mal Fall, ob sie dann ein Rentnercop wird? Kathi und Weinzirl als Team wären zu explosiv, aber man darf sich auf private Neuerungen freuen. Ihr Bruder Bernhard lebt ja mit seiner ungarischen Gattin Szofia am elterlichen Hof, Irmi in der Einliegerwohnung bei Fridtjof Hase. Und da eröffnet ihr Bernhard schier Unglaubliches. Er will nach Ungarn gehen, dort den Hof von Szofias Familie übernehmen und er bietet Irmi das elterliche Anwesen an. Ihre Heimat. Ihr Seelenort, ihre Wurzeln. Nun haben Irmi und Fridtjof Hase ja lange selbst einen Hof gesucht, aber eben nur sehr halbherzig. Und nun kommt so ein Angebot? Und wenn es wirklich ernst wird, ist alles irgendwie anders…..
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