Tutzing – Man ist ja fast entwöhnt von Konzerten. Aber die Pause, die für kulturelle Veranstaltungen nun fast eineinhalb Jahre gedauert hat, wird langsam überwunden. Das war zu bemerken beim Klavierabend von Martin Stadtfeld am Sonntag in der Evangelischen Akademie in Tutzing. Der gebürtige Koblenzer hatte für die Tutzinger Brahmstage ein gut aufeinander abgestimmtes Programm ausgesucht und war mit seinen grandiosen Interpretationen auf ein begeistertes Publikum gestoßen. Der Vortragssaal war komplett ausverkauft. Das ermunterte Vorstand Thomas Zagel zu der Bemerkung, dass ein Jahr zuvor wenige Zuhörer mit gehörigem Abstand im Saal saßen. Auch Landrat Stefan Frey freute sich, dass diese Konzertreihe zu den kulturellen Glanzlichtern der Region gehören und bemerkte lapidar: "Es geht bergauf". Jeder im Saal hatte wohl dieses Gefühl verspürt.
Mit den "Grobschmied-Variationen" aus der Suite E-Dur von Georg Friedrich Händel, Werkverzeichnis Nummer 430, eröffnete der 41-Jährige Pianist den grandiosen Abend. Es war gewissermaßen ein Appetizer, eine Vorspeise, der zwei Hauptgänge mit Variationen und Fuge über ein Thema von Händel aus opus 24 und die berühmte Sonate Nr. 32 in c-moll aus opus 111 von Ludwig van Beethoven folgten.
Die "Grobschmied-Variationen" (englisch The harmonious Blacksmith) gehen auf eine Anekdote zurück, nach der Händel das Thema mit seinem"hämmernden" Rhythmus einem Schmied bei der Arbeit abgelauscht haben soll. Bestechend mit welcher Geschwindigkeit Stadtfeld dieses Stück interpretierte. Das Thema wird zunächst in Sechszehntelnoten, in Triolen und schließlich in Zweiunddreiißigstel bearbeitet. Allerdings interpretierte Stadtfeld dieses Werk mit Pedal, was dem barocken Stück einen ungewöhnlich romantischen Charakter verschaffte. Daran muss man sich gewöhnen.
Wer glaubte, es geht nicht noch schneller, wurde bei Brahms überrascht. Es geht und Stadtfeld hat gezeigt wie es geht und welch ungewöhnlich kreativer Kopf Johannes Brahms gewesen ist. Thomas Zagel erwähnte ein Verdikt von Richard Wagner über diese Komposition gelegentlich einer Begegnung der beiden Musiker im Jahr 1864 in Wien: „Man sieht, was sich in den alten Formen noch leisten läßt, wenn einer kommt, der versteht sie zu behandeln." Recht hatte Wagner und die Zuhörer waren überwältigt von einem Pianisten, der noch mehr Geschwindigkeit mit höchster Präzision im Anschlag zu verknüpfen wusste.
Genau das zeigte Stadtfeld beim Höhepunkt des Abends, der berühmten letzten Klaviersonate von Ludwig van Beethoven. Gleichgültig, ob man mit der Musikwissenschaft nun in der Sonate die musikalische Konkretisierung des Weltgeistes sieht, oder wie Theoder W. Adorno von "Eros und Erkenntnis" spricht, was bleibt ist eine der außergewöhnlichsten Kompositionen, die es in der Klavierliteratur gibt.
Wie sehr allerdings diese Stücke nach einem Konzertflügel rufen, wurde beim Spiel von Stadtfeld deutlich. Für Pianisten dieser Klasse tut es eigentlich ein "normaler" Flügel nicht.
Für diesen Abend erhielt Martin Stadtfeld stehende Ovationen und mehrere "Vorhänge". Mit Recht. Gratulation an die Veranstalter.
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