Jeden Tag lesen Sie auf aloys.news eine Folge aus dem Buch des Dießener Journalisten Michael Fuchs-Gamböck. Es trägt den Titel "Er hatte sie alle. 50 Geschichten aus 25 Jahren Rock 'n' Roll-, Rock- & Pop-Abenteuer" und ist vor drei Jahren erschienen.

Folge 132: Interview mit David Byrne von den Talking Heads in Münchner Edelhotel Teil 1

Stark rhythmische Musik in ein intellektuelles Konzept zu zwängen, das war stets David Byrnes künstlerisches Hauptanliegen – ob als Kopf und treibende Kraft der Talking Heads, als Partner beim Projekt mit Brian Eno, als Komponist von Ballett- und Theatermusik oder als Klangsammler von ethnischen Klängen aus der ganzen Welt.

Man kann diese Vorgehensweise problemlos als Raubbau an der ursprünglichen Musik der sogenannten Dritten Welt verurteilen, kann es aber auch als Identitätssuche des ewig Neugierigen verstehen, dem jedes kreative Ausdrucksmittel zur Erschließung neuer Welten recht ist. Und dem dabei der Kopf stets näher als die Seele war.

Bis 1994 wenigstens, denn damals hat der selbsternannte „Rockstar für den denkenden Menschen" ein Album vorgelegt, bei dem Nähe und auch Intimität die entscheidende Rolle spielten. Schon der schlichte Titel des Albums aus jenem Jahr, David Byrne, verriet, dass der Mann aus dem schottischen Kaff Dumbarton, geboren am 14. Mai 1952, der seit seiner Kindheit in New York zu Hause ist, mit diesem Werk ein neues, radikal persönliches Kapitel in seiner Vita aufschlug.

„Wenngleich", erklärte Byrne drei Jahre später bei unserem Gespräch rückblickend, „ich mir mit dieser Platte keine neue Identität geschaffen hatte. Ich war zu jener Zeit nur selbstbewusst genug, um aus meinem Erfahrungsfundus von rund 20 Jahren im Musikgeschäft zu schöpfen und aus all den Phasen, die ich dabei durchlaufen hatte, das Essenzielle abzuschöpfen."

Knapp drei Jahre später präsentierte Byrne mit Feelings ein weiteres Solowerk, das sich einerseits auf die Traditionen von früher berief, also eher unpersönlich daherzukommen und sich dabei auf jegliche Stilmixe einzulassen, sich aber auf der anderen Seite auch an der radikalen Intimität von David Byrne orientierte. „Jede Platte", grinste der Maestro beim Interview in der Suite eines Münchner Edelhotels im Frühjahr '97 leicht verschämt, „ist mir zu wichtig, um nicht wenigstens teilweise darauf aufzubauen."

Entspannt lehnte der ansonsten meist hibbelige Aktivist sich nach diesen Worten in seinem mit rotem Plüsch bezogenem Goldbrokatsessel zurück. Kaum hörbar surrte die Handycam vor unser beider Gesicht, da Byrne sich bei jener Promotiontour vorgenommen hatte, sämtliche seiner Interviews mit europäischen Journalisten auf Video zu bannen.

Gewandet war sein sehnig-schmaler Körper übrigens in einen hässlichen, taubenblauen Mechanikeranzug. „Der ist aus Japan", murmelte Byrne mit von Jetlag verklebten Augen, „den tragen dort nur die Handwerker. No fashion, believe me. Just my style. And that's it." 

Morgen beginnt das Interview