Birgit Roschach gehört zu den Künstlern, deren Werke heute und morgen noch im Blauen Haus in Dießen im Rahmen der "Kreiskulturtage" zu sehen sind. Alois Kramer sprach mit der gebürtigen Ulmerin über ihr Leben und ihre Kunst. Die Fotografin lebt in Utting.

aloys.news: Wie fing das an mit der Fotografie?
Birgit Roschach: Ich hatte bei der Lufthansa gearbeitet und sieben Jahre in Brasilien gelebt und war angestellt im Schweizer Honorkonsulat. Mein Ehemann war ein brasilianischer Pilot. Ich hatte eine Fremdsprachenausbildung in Französisch, Englisch und Spanisch. Portugiesisch konnte ich sowieso durch den Aufenthalt in Brasilien und daher bekam ich die Stelle. Ich habe von der deutschen Regierung ab und zu Aufträge erhalten, zum Beispiel beim Besuch des Bundespräsidenten Roman Herzog zu dolmetschen. Irgendwann war mir klar: Irgendwas fehlt, die Büroarbeit war mir zu trocken. Meine Mutter schenkte mir eine Spiegelreflex-Kamera, eine Minolta. Da kamen die Gene meines Großvaters mütterlicherseits durch, er war Hobbyfotograf. Im Zweiten Weltkrieg machte er Schwarzweiß-Fotos und seine Alben habe ich mir mit ihm zusammen als Kind immer angeschaut. Ich war total fasziniert.

aloys.news: Wie ging's dann weiter?
Birgit Roschach: Ich war ein Abenteurer, nach einem Jahr in der Karibik nach dem Abitur hat mich die Ferne nie mehr losgelassen, daher bin ich auch nach Brasilien gegangen. Schließlich habe ich mich in der Kunstschule von Sao Paolo für Fotodesign eingeschrieben, damals war das noch analoge Fotografie. Am schönsten war die Fotoentwicklung in der Dunkelkammer. Ich schloss das Studium mit einem Diplom ab. Ich hatte vor Krisen- oder Kriegsjournalist zu werden und fing dann ein Praktikum als Fotojournalist an beim "O Estadao", der großen Tageszeitung von Sao Paolo. Oft begleitete ich Abenteuersportler, die mit ihren All-Rad-Fahrzeugen unterwegs waren und habe deren Aktionen fotografiert, der Auftrag kam von Jeep- oder Outdoormagazinen. Das war dann sowas wie Abseilen an Wasserfällen oder mit dem Jeep durch Flüsse fahren. Mit meinem Mann bin ich oft mit einer einmotorigen Jessna geflogen und habe auch durchaus schon mal das Steuer des Flugzeugs übernommen. SO habe ich Brasilien von oben kennengelernt, eine spannende Zeit.

aloys.news: Und dann?
Birgit Roschach: Dann habe ich an meinem Portfolio gearbeitet. Ich habe Fischer im Morgengrauen in Pernambuco auf hoher See fotografiert oder nachts in Sao Paolo auf dem Transvestiten-Strich Fotos gemacht. Eine Fotoreportage ging über eine Pferdeversteigerung auf einer Riesenranch bei Pernambuco. Irgendwann bin ich nach Deutschland zurückgekommen und habe mein Kind erwartet. Da begann ich Hochzeitsreportagen zu machen. Das war praktisch, weil ich dann nur am Samstag weg musste. Zur Bildbearbeitung war ich dann wieder zuhause.

aloys.news: Die Hochzeitsbilder waren schon digital?
Birgit Roschach: Ja. Ich habe mir die Bildbearbeitung selber beigebracht. Aus der Hochzeitsfotografie haben sich Familienporträts und Babyfotos ergeben. Mittlerweile fotografiere ich auch alles, was man für eine Webseite braucht, Portraits, Innenraumfotos, Actionfotos, Naturaufnahmen.

aloys.news: Dann ging's zur Kunst?
Birgit Roschach: Während des Lockdowns gab's keine Hochzeiten. Dann war es so, dass ich im Gegensatz zu manch anderem den Lockdown als Erlösung empfunden hab, nicht als Qual. Ich hatte Zeit und Muße und dachte mir, ich mache jetzt Fotoarbeiten nur für mich. Meine Liebe zur Natur und zum Wasser war immer präsent. Ich habe den Ammersee vor der Haustüre. Die Natur war meine Inspiration. Als der Schiffsverkehr lahm lag, hat man gemerkt, die Natur kommt zurück. In den Kanälen von Venedig schwammen Delphine oder Wildschweine liefen durch den Ort. Die ungebändigte wilde Natur ist für mich ein Sinnbild für Freiheit.

aloys.news: Welche Bilder sind von Ihnen im Blauen Haus zu sehen?
Birgit Roschach: Im Grunde habe ich mich immer gefragt, warum ich von bestimmten Stellen, wie etwa lauschigen Plätzen, gewundenen überwucherten Pfaden, in der Natur angezogen wurde. Da bin ich dann darauf gekommen, dass ich von den Märchenbüchern von den Gebrüdern Grimm geprägt wurde. Die Märchen waren illustriert mit Gemälden aus der Ära der Romantik mit üppigen Waldszenen, immer ein bisschen geheimnisvoll. Im Stil von Caspar David Friedrich. Ich sehe überall so Plätze, die für mich auch immer geheimnisvoll sind. Je wilder die Natur ist, desto besser. Diese magischen Plätze habe ich fotografiert. Wasser zieht mich besonders an. Ich wollte eigentlich immer Meeresbiologin werden, bin damals nach der Schule dann aber direkt in die Karibik gezogen. In allen Urlauben am Meer seit meiner Kindheit verbrachte ich den Tag am Strand unter Wasser. Ich bin deshalb auch Taucher. Für mich ist die Unterwasserwelt so harmonisch und friedlich, alles bewegt sich still und langsam. Es gibt eine so andere Flora und Fauna wie an Land. Wenn ich tauche, möchte ich eigentlich gar nicht mehr zurückkehren. Das ist für mich die Sehnsucht nach Frieden, nach Abstand vom Eingreifen des Menschen in die Natur. Daher drücken alle meine künstlerischen Bilder meine Sehnsucht aus. Ich stelle unter anderem einen Wandteppich mit einem Fotogemälde aus, der auch in einer Burgruine hängen könnte. Der Teppich in der Ausstellung hat Patina, manche Stellen sind abgeblättert. Es ist nicht nur ein Foto, es ist ein Fotogemälde. Ich benutze die Kamera als Pinsel und bemale die Natur mit der Natur. Ich mische das Ufer mit dem Wasser. Auf allen meinen Bildern ist Wasser präsent, oft ergibt sich durch meine Fototechnik eine unergründliche Tiefe, fast ein 3D - Effekt, was meine Sehnsucht nach dem Eintauchen in die Tiefe widerspiegelt. Die Fotogemälde werden vor Ort fotografiert, das muss sitzen. Hinterher am Bildschirm knn das Motiv nicht mehr verändert werden. Die Fischreuse aus der Ausstellung habe ich im See gefunden, da hängen Armleuchteralgen drin und Muscheln. Ich mag es gerne organisch, eben organische Fotogemälde.

aloys.news: Frau Roschach, vielen Dank für das Gespräch.