Ammersee – Als einen der Gründe, warum Friseure seit heute wieder ihre Geschäfte öffnen dürfen, nannte Ministerpräsident Markus Söder die "Würde". Es wäre die Würde des Menschen wiederhergestellt, wenn Menschen ihre Haar wieder schneiden und in Form bringen lassen dürften. So einfach ist das also. Ethisch gesehen ist das starker Tobak, hier gleich mit einem solch bedeutenden Begriff zu hantieren. Der Begriff der Würde des Menschen, so wie wir ihn vom Grundgesetz her kennen und mit dem Ausdruck "unantastbar" verbinden, ist eher ein Produkt des 18. Jahrhunderts. Er ist eine Errungenschaft des Denkens über den Menschen. Der Philosoph Kant verwendet ihn in seinen ethischen Schriften. In der Antike verstand man unter Würde eher nur oberflächlichere, äußerliche Arten von Würde. Etwa eine würdevolle Art, sich zu bewegen. Was man bei manchen Menschen erkennen kann, aber auch zum Beispiel bei Tieren, wie etwa bei einem Löwen, der majestätisch daherschreitet. "Würde" zeigt auch ein Mensch, dem schweres Leid durch einen Schicksalsschlag zuteil wurde. So begreift die Antike den Begriff, normalerweise. Das versteht jedoch die Ethik nicht unter Würde. Unter ethischem Gesichtspunkt betrachtet, ist Würde etwas, das jedem Menschen zukommt, gleich ob er adeliger Herkunft ist oder sich im Flüchtlingslager in Nordafrika befindet. Deren Würde ist nicht abhängig von bestimmten Bedingungen, wie Herkunft oder Bildung. Daher ist der Ausdruck "Würde" im Zusammenhang mit dem Öffnen von Frisiersalons nett gemeint, aber zu hoch gegriffen und lenkt möglicherweise vom tieferen Sinn des Begriffs ab. Denn die Würde ist unabhängig von der Länge der Haare oder davon ob sie gewaschen, geschnitten oder gelegt wurden.
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Kommentare 1
'Manners maketh man', schreibt William Horman, damals Schulleiter in Eton, in seiner 'Vulgaria', einer Sammlung von Redensarten. Unsere Manieren, unsere Erscheinung, wie wir den Mitmenschen gegenübertreten, das ist ein wesentlicher Aspekt unserer Menschlichkeit. Das kann man als Oberflächlichkeit abtun, aber ich denke, das ist es nicht. Gerade die, die die Würde des Menschen mit Füßen traten, haben dabei immer auch auf das Oberflächliche, Äußere geachtet. Roland Freisler sorgte dafür, dass die Angeklagten vor dem Volksgerichtshof ohne Gürtel oder Hosenträger erscheinen mussten. Sie sollten lächerlich aussehen, wenn sie auf der Anklagebank immer mit ihren rutschenden Hosen kämpfen mussten. Den Häftlingen von Konzentrationslagern und Gulags wurden die Haare geschoren und sie wurden in auffällige Uniformen gesteckt. Mit solchen "Oberflächlichkeiten" wurde ganz gezielt ihre Menschenwürde herabgesetzt. Vor ein paar Jahren gab es in Herrsching ein Projekt, dass sich Menschen aus schwierigen finanziellen Verhältnissen kostenlos photographieren lassen konnten. Mit Friseuse, Visagistin und einem Profiphotographen. Ich habe da mitgeholfen und erinnere mich an das freudige Strahlen in den Gesichtern. Die Freude darüber, einmal so auszusehen, wie man gerne gesehen werden möchte, es sich normalerweise aber nicht leisten kann. Ich glaube tatsächlich nicht, dass der Ausdruck "Würde" im Zusammenhang mit dem Öffnen von Frisiersalons zu hoch gegriffen ist.
Viele Grüße
Leo
Leopold Ploner
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