Dießen – Für Katharina Schulze hat der Wahlkampf schon begonnen. Die Grünen-Chefin von Bayern trat am Dienstag, 12. Juli, im Blauen Haus in Dießen auf. Vorher gab die Herrschingerin aloys.news ein Exklusiv-Interview. Wir sind für eine Stunde vor ihrer Veranstaltung verabredet. Es ist 17.50 Uhr, doch weder der Dießener Grüne Dr. Holger Kramer ist zu sehen und die Tür zum Saal im Kulturforum an der Prinz-Ludwig-Straße ist verschlossen. Merkwürdig. Ein Anruf bei Kramers Frau hilft weiter. Sie müssten schon längst da sein, meint Susanne Jung-Kramer. Gleichzeitig kommt ein Telefonat mit einer unbekannten Nummer auf mein Mobiltelefon. Ich rufe zurück. Es ist Katharina Schulze. Sie verspätet sich, weil die S-Bahn Verspätung hatte. Verständlich bei dem Unwetter vergangene Nacht. Schließlich steigt sie gegen 18.15 Uhr aus dem Auto. Ihre Landtagskollegin von den Grünen Gabriel Triebel ist bereits da. Mit Hund. Der war ganz verstört durch das Gewitter und braucht jetzt Fürsorge, erklärt sie. Eine Dreiviertelstunde vor Beginn um 19 Uhr ist der Saal noch leer. Wir setzen uns in den Raum dahinter. Schulze ist aufgeräumt, sie spricht aber schnell. Sie ist in der Materie drin. Ich bin der einzige Vertreter der Presse. Bevor wir zu den schriftlich eingereichten Fragen kommen, sprechen wir über Medienkompetenz. Nach einer halben Stunden Interview betrete ich wieder den großen Saal im Blauen Haus. Jetzt, eine Viertelstunde vor 19 Uhr sind fast alle Plätze besetzt.
Katharina Schulze: Jeder, von den ganz kleinen bis zu den älteren Menschen, muss zwischen Wahrheit und Lüge im Netz unterscheiden können. Man muss wissen, wie das Internet funktioniert, wie Algorithmen bestimmte Sachen nach oben spülen, wie digitale Geschäftsmodelle aussehen, dass es hier auch um das Erzeugen von Klicks und Aufmerksamkeit geht, dass negative Sachen besser laufen als positive. Der Zugang zu dieser Kompetenz geht über Bildung und damit Schule. Deswegen nennen wir Grüne dieses Ziel ab der ersten Klasse "Digitalkunde".
Gabriele Triebel: Es geht aber auch, gerade, was ältere Menschen betrifft, nicht nur darum, wie das Internet funktioniert, sondern um Teilhabe. Ältere müssen befähigt werden, sich sozusagen digital zu bewegen. Unsere Welt wird immer digitaler, Anmeldungen und Bestellungen laufen über das Internet.
Katharina Schulze: Genau. Ich hatte gestern eine Veranstaltung in Mindelheim, da kam eine Frau auf mich zu und erzählte mir, dass sie gerne, das 49-Euro-Ticket kaufen würde, aber es schwierig sei, da sie kein Smartphone besitze. Die Karte gebe es in ihrer unmittelbarer Nähe nicht sondern nur in Kempten, aber da komme sie so schwer hin. Ich konnte die Dame gut verstehen. Der Staat muss beides anbieten, analog und digital, gut, dass das beim Deutschlandticket möglich ist.
aloys.news: Kommen wir zu unseren Fragen zurück. Was sind die Schwerpunkte der Grünen im bayerischen Wahlkampf?
Katharina Schulze: Wir treten im Landtagswahlkampf an, um Regierungsverantwortung zu übernehmen, weil sich unser Land nicht nochmal fünf Jahre Stillstand leisten kann. Da geht es vor allem um Klimaschutz. Ich kam verspätet hierher, weil Bäume durch das Unwetter umgestürzt sind. Die Klimakrise ist schon längst hier angekommen. Dazu kommen Dürre, Starkwetterereignisse, unser Trinkwasser schwindet, Waldbrandgefahr steigt. Wir brauchen ab Herbst 2023 eine Regierung, die Klimaschutz ernst nimmt und endlich wirkungsvollen Klimaschutz betreibt.
Der zweite Schwerpunkt ist der schnellere Ausbau erneuerbarer Energien. Das ist gut für den Klimaschutz und gut für den Geldbeutel von uns allen, denn mit Erneuerbaren Energien können wir günstigen und sauberen Strom produzieren. Das ist auch gut für unsere Wirtschaft, weil wir Grüne in Bayern unseren starken Wirtschaftsstandort stabil halten möchten. Das bedeutet weiterhin eine gute Beschäftigungslage. Unsere Industrie braucht günstige Energie, daher müssen wir Wind und Sonne weiter ausbauen.
Der dritte Schwerpunkt ist, dass wir Kinder und Jugendliche in den Fokus rücken. Wir haben eine Bildungskrise. Es fehlt an Erzieherinnen und Erziehern, Lehrkräften, an Kita-Plätzen. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels eine hochexplosive Mischung. Daher muss die nächste bayerische Staatsregierung massiv in unser Bildungssystem investieren. Wir fangen daher schon bei der frühkindlichen Bildung an.
Wie eine Hülle dieser Schwerpunkte ist für uns das Thema "Stärkung der Demokratie". Wir können diese Herausforderungen nur in einer intakten Demokratie lösen. Unsere Demokratie wird gerade von den verschiedensten Seiten angegriffen und wir wollen die Demokratie stärken. Ich möchte keinen Rechtsrutsch in unserem Land!
aloys.news: Was sagen Sie zum so genannten Heizhammer?
Katharina Schulze: Es ist richtig, dass die Ampel sich an die Wärmewende macht. Wir Grüne wollen nicht, dass Bürgerinnen und Bürger eine Kostenfalle im Keller stehen haben. Weil in einigen Jahren durch die CO2-Bepreisung Öl und Gas sehr teuer werden. Daher war es sinnvoll von der Bundesregierung zu überlegen, wie wir Heizen mit Erneuerbaren Energien hinkriegen. Die Kommunikation für dieses Gesetz lief nicht optimal, das hätten wir besser machen müssen. Aber die Erregungsspirale mit "Fake-News" haben dem Diskurs auch nicht gut getan. Das muss man auch festhalten. Es ist gut, dass dieses Gesetz nach der Sommerpause beschlossen wird.
Gabriele Triebel: Es wurde von der Union, auch von Ministerpräsident Söder gezielt die Meldung gestreut, dass man jetzt seine alte Heizung rausreißen muss. Er hat auch die Summe von 300.000 Euro genannt, die die Umstellung kosten würde. Zum Thema Holz muss ich sagen, dass wir bayerischen Grünen in den Entwurf Holz zu den erneuerbaren Energien gehören muss. Wir können den Leuten nicht verbieten Holz aus ihrem eigenen Wald zu nehmen und daraus Hackschnitzel für ihre Heizung zu machen. Aber die CSU und Aiwanger sagen immer noch, dass Holz nicht dabei wäre.
Katharina Schulze: Im ersten Entwurf war Holz tatsächlich nicht drin. Aber in Bayern mit seiner Kleinteiligkeit des Waldbesitzes wäre das nicht tragbar gewesen. Aus Sicht der bayerischen Grünen ist der Gesetzesentwurf damit verbessert worden. Das ist, wie Gabi sagt, demokratische Gesetzgebung.
aloys.news: Was sind die spezifisch bayerischen Themen für den Wahlkampf?
Katharina Schulze: Fangen wir mit der Windkraft an. Wir wollen die Windkraftleistung bis 2030 versechsfachen, die Solarleistung vervierfachen. Wir wollen mehr Stromspeicher bauen und in Geothermie investieren. Das betrifft den Energiebereich. Beim Thema Klimaschutz haben wir das Wasser in den Fokus gerückt, weil wir bayernweit Niedriggrundwasser haben. In Oberbayern ist die Lage noch nicht so dramatisch, aber in Unterfranken ist es schlimm. Das heißt wir wollen die Wasserschutzgebiete um 12 Prozent ausweiten , einen Wassercent einführen und eine Übersicht erstellen, woraus zu ersehen ist, wo überall Wasser entnommen wird.
Gabriele Triebel: Im Bereich Kinder, Jugend, Bildung müssen die Betreuungsmöglichkeiten ausgebaut werden. Uns fehlen im Bereich der Kitas Fachkräfte und auch Lehrer, da hat die Staatsregierung über Jahre geschlafen. Wir brauchen gezielte Programme um hier Personal zu rekrutieren. Wenn es gute Programme in Kitas und Schulen gibt, ist das auch ein Beispiel für Bildungsgerechtigkeit. Es ist keine Bildungerechtigkeit, wenn der Bildungserfolg vom Elternhaus abhängt. Wir brauchen auch, was die Digitalisierung betrifft nicht nur mehr Hardware sondern auch mehr Software. Das heißt pädagogische Konzepte müssen erarbeitet werden. Das iPad ist da, aber keine Inhalte. Die Lehrbücher sind immer noch vorhanden, aber nicht als Inhalte auf dem iPad.
Katharina Schulze: Jedes Kind in Bayern braucht die gleichen Startchancen um nach individuellen Talenten gefördert zu werden. Wir wollen das so genannte Grundschulabitur abschaffen um den Druck von den Kindern in der vierten Klasse zu nehmen. Wir wollen die Familien mit kostenlosem Mittagessen für die Kinder entlasten und Kinder und Jugendliche sollen kostenfrei mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren können. Die Inflation und Teuerung bekommen viele Familien momentan zu spüren.
Gabriele Triebel: Wir fordern darüberhinaus einen Sozialindex für Schulen. Das bedeutet, dass Schulen in besonderen Lagen besonders gefördert werden sollen.
Katharina Schulze: Studien belegen, dass die Gesellschaft umso mehr profitiert, je früher wir Steine aus dem Weg räumen. Mit dem Sozialindex wollen wir gezielt die Schwächsten fördern, alle anderen wollen das Gießkannenprinzip
aloys.news: Frau Schulze, Frau Triebel, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch
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