Dießen – Seit Anfang Mai ist Sandra Perzul die neue Bürgermeisterin der Marktgemeinde Dießen. Alois Kramer hat mit der gebürtigen Dießenerin für aloys.news ein Interview geführt. Die Nachfolgerin von Herbert Kirsch im Rathaus empfängt den Mann von der regionalen Online-Zeitung im Bürgermeisterzimmer. Es hat sich kaum etwas verändert. Die Möbel sind geblieben. Das abstrakte Gemälde von Fritz Winter hängt immer noch hinter'm Schreibtisch, ein farbenfrohes Bild von Johannes Selbertinger befindet sich über der Kommode, auf einer Fensterbank liegt das Buch „Ammerseelen". Der Arbeitsplatz der Bürgermeisterin ist voller Akten. Perzul hätte gerne irgendwann einmal einen neuen, höhenverstellbaren Schreibtisch. Doch das kann warten, meint sie. Es gibt Wichtigeres.

aloys.news: Mehr als sechs Monate sind nach Ihrem Einzug ins Rathaus vergangen. Wie fühlen Sie sich?

Sandra Perzul: Mir geht es gut, so langsam finde ich mich ein. Zwei Dinge kamen im Mai zusammen. Erstens gibt es in meiner neuen Position einige Themen, in die ich mich einarbeiten musste, zweitens haben wir die Pandemie. Corona hat für mich als Bürgermeisterin vieles verändert. Die klassischen Auftritte einer Amtsperson in der Öffentlichkeit fehlten gerade zu Beginn meines Amtsantritts und auch in der momentanen Lockdown-Phase. Das gehört auch zu den Tätigkeiten einer Rathauschefin, den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern, dem Gewerbe, den Kunstschaffenden und den Vereinen zu pflegen. Es gab keine Vereinsfeste, keine Veranstaltungen, auch keinen Töpfermarkt, was mich sehr schmerzt. Der Vorteil war, dass ich viel Zeit hatte, mich in die Themenbereiche einzuarbeiten. Ich konnte schon einige Seminare besuchen, auch im Herbst vorigen Jahres nahm ich bereits an einem Bürgermeisterkandidatenseminar teil. Das hat mir viel gebracht. Die Arbeit im Gemeinderat läuft mittlerweile auch gut, was mich sehr freut. Zu Beginn meiner Amtszeit war das Klima noch etwas rauer. Die letzten Wochen des Wahlkampfes waren anstrengend und auch die Stichwahl zwischen Florian Zarbo und mir nicht leicht. Danach galt es erst einmal die Fraktionen wieder zusammenzubringen, die Aggressivität im Umgang miteinander herauszunehmen und sich als Marktgemeinderat zu finden. Jetzt geht es an die Sacharbeit, es gilt als Gemeinderat gemeinsam wichtige Entscheidungen zu treffen. Auch einige Themen zu Ende zu bringen, die im alten Gremium noch angestoßen oder sogar beschlossen wurden. Ich habe auch wieder die Fraktionssprechersitzung eingeführt. Einmal im Monat treffen wir uns am Abend, um uns auszutauschen. Dieses Gremium hat rein beratende Funktion, ist nicht beschlussfähig.Mir geht es hierbei um den Informationsaustausch zwischen den Fraktionen, die Verbesserung der Kommunikation untereinander und um gemeinsame Themen voranzutreiben. Beispielsweise habe ich in diesem Rahmen die Durchführung von einigen Workshops, zum Beispiel zum Thema Neuerungen im Baurecht, vereinbart und geplant.


aloys.news: Ihre Gemeinde ist auch ein Wirtschaftsunternehmen mit einem Budget von jährlich 30 Millionen?

Sandra Perzul: Gerade deshalb müssen wir prüfen, wo die großen Investitionen für die kommenden Jahre sein werden, wieviel Geld wir für welche Zwecke einsetzen müssen. Jetzt steht zum Beispiel die Sanierung der Mehrzweckhalle an. Die muss gemacht werden. Ebenso die Sanierung der Tiefgarage. Da stellen sich die Fragen, was binden diese Vorhaben an personellen Ressourcen in meiner Verwaltung, aber ebenso auch an finanziellen Mitteln. Klar kommen nun viele und sagen: Ich möchte das und das machen. Aber wenn wir alles Kleine sofort und auch einmal machen, dann schaffen wir vielleicht nicht die großen Dinge. Wir sind aktuell bei der Priorisierung der Aufgaben.


aloys.news: Wie sieht's denn mit dem Sorgenkind Herrenstraße aus?

Sandra Perzul: Das ist eine Staatsstraße, da hat das Bauamt Weilheim das Sagen. Ich gebe Ihnen recht. Hier muss sich was ändern. Der Schwerlastverkehr gehört am sinnvollsten raus aus der Herrenstraße. Hierzu habe ich auch schon Gespräche mit den Verantwortlichen in Weilheim geführt. Allerdings argumentieren die Beamten in Weilheim, dass eine Staatsstraße für Schwerlastverkehr ausgelegt ist. Punkt. Dazu müssen wir erst mal wissen, wie die Zahlen in der Herrenstraße sind, und in einem zweiten Schritt was Zielverkehr und was Durchgangsverkehr ist. Dann gäbe es eventuell eine kleine Lösung, dass wenigstens die Staus, die durch zwei LKWs verursacht werden, die in der Hofmark nicht aneinander vorbeikommen, vermieden werden können. Da könnten wir – in Absprache mit dem Straßenbauamt – Lichtschranken installieren, die einen LKW, der von oben kommt, davon abhalten, weiter zu fahren, wenn von unten einer kommt. Hierzu sind wir wie gesagt im Gespräch mit den Weilheimer Kollegen. Dass es sich beim Thema Hofmarkt/Herrenstraße generell um ein Projekt handelt, dass bereits seit vielen Jahren diskutiert wird, ist bekannt. Die Topographie ist hier sehr eng, die Bebauung an dieser Straße ist historisch gewachsen. Wir, das heißt die Verkehrsreferentin Gabriele Übler und ich, mussten uns dann anhören, dass die Gemeinde die Bebauung hier zugelassen hat. Allerdings plädiere ich für ein integriertes Verkehrssystem für die Marktgemeinde, es gibt ja nicht nur die Herrenstraße. Wir können nicht den Verkehr in einer Straße reduzieren, dann weichen die Verkehrsteilnehmer in eine andere aus. Das muss alles bedacht werden. Es gab keine Lösung für die Herrenstraße in den letzten 40 Jahren, aber wir müssen dranbleiben und uns auch darüber im Klaren sein, dass es nicht im Zeitraum von vier Jahren erledigt ist.


aloys.news: Der Verkehr in Dießen ist sowieso problematisch. Zu wenig Parkplätze, zu viel Durchgangsverkehr?

Sandra Perzul: Vieles an der gegenwärtigen Verkehrssituation ist leider hausgemacht. Mir fällt jetzt immer mehr dieses wilde Parken in der Marktgemeinde auf. Fünf Meter vor der Kurve oder einer Einmündung. Da halten sich einfach viele nicht daran. Die eigenen Garagen sind oftmals vollgepackt und das Auto steht an der Straße. Wir müssen in den kommenden Jahren an mehreren Stellschrauben drehen um Entlastungen zu schaffen. Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer schaffen und den ÖPNV verbessern. Vergangene Woche fand landkreisweit das erste Abstimmungsgespräch zur Entwicklung des neuen Nahverkehrsplans statt.


aloys.news: Wie ist denn die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gewerbe?

Sandra Perzul: Ich bin im engen Kontakt mit Uschi Wacke, der Gewerbeverbandsvorsitzenden. Die wunderbare Aktion „Dießen leuchtet", fällt ja heuer auch Corona zum Opfer. Aber wir schauen gemeinsam, ob wir, das heißt die Gemeinde und der Gewerbeverband eine Weihnachtsaktion hinbekommen. Geplant ist eine „Sparschweinaktion" in den Dießener Geschäften für die örtlichen sozialen Einrichtungen. Auch die Gemeinde möchte mit einer Weihnachtsaktion die heimischen Gewerbetreibenden in der Adventszeit unterstützen.


aloys.news: Wie ist aktuell die Arbeit im Gemeinderat?

Sandra Perzul: Es hat sich schon in den vergangenen drei Jahren die Arbeit im Gemeinderat verändert, dadurch, dass die Beschlussvorlagen vom Geschäftsleiter Karl-Heinz Springer und den Kolleginnen aus der Verwaltung so ausführlich den Ratsmitgliedern zur Verfügung stehen. Ich habe auch Workshops veranstaltet, in denen ich drängende Themen behandelt habe. Das dient auch dazu die Ratssitzungen wieder zu verkürzen und erhöht das kollegiale Verhältnis zueinander. Ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel: Wie ist die Situation in den Seeanlagen, welche Fördermittel haben wir beantragt? Fallen Gelder weg, wenn wir uns nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden haben. Wir haben uns auch die gemeindlichen Wälder mit unserem Förster, Herrn Schmid angeschaut. Auch die Wasserversorgung. Den Bauhof haben wir besucht. An einem Samstag hatten wir einen Workshop „Aktuelles Baurecht". Da ging's um so ganz einfache Fragen wie, welche Gestaltungsfreiheit eine Gemeinde überhaupt hat. Da geht es um Transparenz. Alle Ratsmitglieder sollten auf dem gleichen Kenntnisstand sein. Der Workshop „Baurecht" zeigt, was überhaupt unsere Möglichkeiten sind und wo Vorwürfe gar nicht gerechtfertigt sind, weil wir eine bestimmte Entscheidung gar nicht zu verantworten haben, sondern das Landratsamt Landsberg. Gerade im Baurecht gibt es immer wieder Änderungen. Die sollten die Ratsmitglieder kennen. 


aloys.news: Frau Perzul, wir bedanken uns für das Gespräch.