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Was heute geschah. 9. November: Ein „Schicksalstag“ in der deutschen Geschichte. Von Helmut Herbert Fietzek M.A.

Brennende Synagoge am 9. Novenber 1938 Foto: Bundeszentrale für Politische Bildung

Kaum ein Datum, an dem Ereignisse geschahen, die sich so unterschiedlich auf den Lauf der Geschichte auswirkten wie der 9. November: Ende der Monarchie, Hitlerputsch, Reichspogromnacht, Fall der Mauer.


Am 9. November 1918: REVOLUTION in BERLIN
Der Start zu einem grundlegenden politischen Umbruch in Deutschland, zur Abschaffung der Monarchie und Einführung der Demokratie war die Ausrufung der „deutschen Republik" durch Philipp Scheidemann und zwei Stunden später die Ausrufung der „freien deutschen Republik" durch Karl Liebknecht. Kaiser Wilhelm II. hatte zuvor schon abgedankt und begab sich tags darauf ins Exil nach Holland. Damit war die alte Herrschaftsform der Monarchie beendet und der Weg für ein demokratisches System zeichnete sich ab, allerdings bestimmten in vielen Ländern des Deutschen Reiches noch monatelang die Aufstände von Arbeiter- und Soldatenräten das politische Geschehen, bis sich die Weimarer Republik etablieren konnte. Auslöser für die Novemberrevolution war ein Aufstand der Matrosen der Hochseeflotte in Kiel am 29. Oktober 1918, womit sich die Angehörigen der Kriegsmarine gegen das deutsche Oberkommando zur Wehr setzten.
Auch in Bayern war die Republik ausgerufen worden. Bereits am 7. November 1918 hatte Kurt Eisner den Freistaat Bayern ausgerufen und die Monarchie beendet. 8.und 9. November 1923: HITLERPUTSCH
Am 8. und 9. November 1923 wollten Hitler und die NSDSAP nach dem Vorbild Mussolini die parlamentarische Demokratie in Berlin beseitigen und eine nationalistische Diktatur errichten. An den gescheiterten Hitlerputsch und den Marsch auf die Feldherrnhalle in München erinnerten die Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme 1933 alljährlich am 9. November durch eine Inszenierung und eine Gedenkfeier am Königsplatz, wo der beim Putschversuch umgekommenen Nationalsozialisten, für die zwei „Ehrentempel" errichtet wurden, gedacht wurde.
Am 1. März 1939 war der 9. November von Hitler als Gedenktag für die Bewegung zum staatlichen Feiertag erklärt worden.
9. November 1938: REICHSPOGROMNACHT
Bereits wenige Jahre nach dem gescheiterten Hitlerputsch sollte der 9. November 1938 einer der bis dahin schwärzesten Tage der deutschen Geschichte werden. In der Reichspogromnacht, von den Nazis als Reichskristallnacht bezeichnet, begannen im nationalsozialistischen Deutschland direkte und gezielte Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung. Bei den Ausschreitungen wurden 267 Synagogen und mehr als 7.000 jüdische Geschäfte in Brand gesetzt und geplündert.
Direkt im Anschluss an die Zerstörungen begann am 10. November gegen vier Uhr morgens die befohlene Inhaftierung (sogenannte Schutzhaft) von etwa 30.000 männlichen, meist jüngeren und wohlhabenderen Juden. Diese so genannten Aktionsjuden machten rund ein Zehntel der in Deutschland verbliebenen Juden aus. Sie wurden gesammelt und vielfach in Formation durch die Städte getrieben. In den Tagen darauf wurden sie von Gestapo und SS in die drei deutschen Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt, um sie zur Emigration zu nötigen und ihr Vermögen zu arisieren.
Der 9. November 1938 - ein Tag der Schande für Deutschland! An diesen Tag erinnert u.a. eine Gedenktafel am Alten Rathaus in München, die die Bedeutung jenes 9. November 1938 historisch treffend einordnet.
Eine Schande auch, dass ein Politiker, der als gewählter Volksvertreter im Deutschen Bundestag sitzt, die Zeit Deutschlands unter der nationalsozialistischen Diktatur mit all deren Verbrechen, die sie begangen hat, respektlos als „Vogelschiss in der Geschichte" bezeichnet!
Welche Bedeutung der 9. November als Gedenktag für die jüdischen Mitbürger in Deutschland hat, zeigt die Tatsache, dass die neue Synagoge in München am St. Jakobs-Platz am 9. November (2006) eingeweiht wurde.
In Wien wird am heutigen 9. November die Gedenkstätte für die ermordeten 65 000 jüdischen Kinder, Männer und Frauen aus Österreich, die der NS-Herrschaft nicht entfliehen konnten, im Ostarrichi-Park eröffnet. 76 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Immerhin!
9. November 1989: Fall der Mauer und Ende des Eisernen Vorhangs
Selten war eine Pressekonferenz von einer so weltgeschichtlichen Bedeutung wie die, die der Sekretär für Informationswesen Günter Schabowski am Abend des 9. November 1989 in Berlin abhielt. Eine Massenflucht von DDR-Bürgerinnen und-Bürgern in den Westen, eine neue Oppositionsbewegung und Montagsdemonstrationen hatten die DDR-Regierung unter Druck gesetzt, eine neue Reiseregelung zu erlassen. Vielen DDR-Bürgern war bereits über die Besetzung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag und über die seit 11. September geöffnete Grenze Ungarns zu Österreich die Ausreise in den Westen geglückt. Es war ihnen gelungen, die Ziele der friedlichen Revolution, für die besonders die Leipziger Montagsdemonstrationen seit Oktober 1989 als entscheidend gelten, in die Tat umzusetzen. Die Menschen überwanden ihre Angst vor den Unterdrückern und verließen das Land, in dem sie 28 Jahre lang durch die Mauer eingesperrt waren.
In verriegelten Sonderzügen wurden einige tausend DDR-Flüchtlinge über das Territorium der DDR in die Bundesrepublik gebracht. Der Eiserne Vorhang war durchbrochen. Der Todesstreifen entlang der knapp 1400 Kilometer langen deutsch-deutschen Grenze, von 1,3 Millionen Minen und Selbstschussanlagen gesichert, hatte plötzlich keine Bedeutung mehr. Dort, wo noch vor kurzem auf fliehende DDR- Bürger geschossen wurde, war es nun, wie Schabowski von seinem Zettel ablas „[…] jedem Bürger der DDR möglich, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen […] das trifft nach meiner Kenntnis […] ist das sofort, unverzüglich."
Diesmal wurden die Bürger nicht belogen, wie einst von Walter Ulbricht, der noch am 15. Juni 1961 verkündet hatte, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen. Der Tag des Mauerbaus am 13. August 1961 hat ihn dann als einen der größten Lügner der jüngeren Geschichte entlarvt!
Diesmal musste der Staat vor der Übermacht der Bürgerinnen und Bürger kapitulieren.
Viele DDR-Bürger sahen die Mitteilung der Pressekonferenz im Fernsehen und fuhren mit ihren Trabis zu den Grenzübergangsstellen, um sich zu vergewissern, dass die Mauer tatsächlich offen war. Die friedliche Revolution hatte über das Regime der DDR gesiegt! Ein Glück, dass die in den Straßen Berlins bereitgestellten Einsatztruppen, keinen Befehl zum Eingreifen bekommen haben!

Ein überaus positiver 9. November. 

Gedenktafel im Alten Rathaus von München. Foto: Helmut Herbert Fietzek

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