Starnberg – Happy Birthday, Herzblutfußballer! Er war Star-Neuzugang, Stürmer, Torjäger, Kapitän, Interimstrainer und Manager der ehemaligen SpVgg Starnberg. Er wurde im Derby zum „Napoleon". Und später sogar zum Lebensretter seines Trainers. Aber davon später.

Am Sonntag, 17. Januar, feiert Herfried Ruhs, der „Poltergeist aus der Oberpfalz, wie ihn SpVgg-Boss Dr. Gerd Wernekke einst bezeichnete, seinen 70. Geburtstag. Daheim in Murnau, wo er seit drei Jahren lebt – zur Zeit wegen Corona „völlig zurückgezogen", erzählt er. Deshalb gibt's auch keine Feier. Wie jeden Tag wird er auch da dreimal mit seinem Hund Emma, einem zehn Jahre alten Berner Sennen-/Howawart-Mischling, spazieren gehen. „Sonst ist nichts geplant", sagt der Jubilar.

Ruhs, der 1970 mit 19 schon Profi bei Jahn Regensburg in Liga 2 wurde, kam 1982 vom ESV Ingolstadt zur SpVgg Starnberg. Sein ESV-Mitspieler Sepp Stadler und letztlich auch Trainer Harry Pfeil, der angebliche DDR-Nationalspieler, der später als Hochstapler enttarnt und gefeuert wurde, hatten den ehemaligen Kapitän der Bayerischen Amateur-Nationalmannschaft und Diplom-Sportlehrer (je vier Semester in Regensburg und München) überredet, mit 31 runter in die Bezirksliga zu wechseln. „Pfeil hatte mir das Blaue vom Himmel versprochen", erinnert sich Ruhs. Aber als es ernst wurde, war nicht mehr viel dahinter. Der Offensiv-Mann blieb trotzdem in Starnberg, arbeitete für Sponsor und Immobilien-Händler Roland Holly („Hedos") in einem „400-Quadratmeter-Büro" in der Söckinger Dziembowski-Villa - und wurde im März 1983 zum „Napoleon". Und das kam so: Vor dem Derby gegen die FT prophezeite Ruhs, damals Interims-Spielertrainer der SpVgg, bei der Spielersitzung in der Starnberger „Schießstätte" dem Lokalrivalen ein „Waterloo hoch 14". Der Autor dieser Zeilen war zu dieser Zeit Spieler der zweiten Mannschaft – und Sport-Redakteur beim „Starnberger Merkur". Klar, dass diese Aussagen im Vorbericht in der Zeitung landeten und für mächtig Furore sorgten. Zumal die Ausgabe auch noch im Stadion verteilt wurde. Das Spiel endete 4:4, Torwart Hans Estner (nannte sich selbst gerne „Spektakel-Hans") erzielte ein 100-Meter-Tor – und Ruhs flog nach einem Foul an FT-Stratege Rainer Hoffmann per roter Karte vom Platz. „Napoleon" war nach diesem Platzverweis sein Spitzname. Ruhs Rache im Rückspiel allerdings war fürchterlich: Beim 25. Derby am 1. Oktober 1983 avancierte der Kapitän vor 600 Zuschauern zum Mann des Tages: Mit 4:2 zerlegte die mittlerweile von „Meister-Löwe" Rudi Zeiser (starb am 4. Februar 1993) trainierte SpVgg die Mannschaft von FT-Coach Rudi Fuchs. Alle vier Tore der SpVgg erzielte Ruhs. Es waren seine Saisontore acht bis elf von insgesamt 15 SpVgg-Treffern. So wurde aus „Napoleon Ruhs" der „König des Derbys", wie der legendäre Merkur-Sportreporter August E. Mehr schrieb. „Die beiden Derbys gehörten natürlich zu den Highlights meiner Starnberger Zeit", blickt Ruhs zurück.

Unvergessen – wenn auch alles andere als lustig – bleib ein Zwischenfall im Winter 1986. Gerade in die Landesliga aufgestiegen, wollten die SpVgg-Verantwortlichen gleich das nächste Ziel, die Bayernliga, in Angriff nehmen – mit Aufstiegscoach Siegward „Sigi" Daschner. Doch der brach am 6. November im Training plötzlich zusammen. Eine Kreislaufschwäche mit Herzstillstand, die um ein Haar tödlich verrlaufen wäre, wie sich später herausstellte. Ruhs: „Ich erinnere mich noch ganz genau. Wir machten Torschusstraining auf dem Hartplatz. Auf einmal ist Daschner umgefallen, er war sofort bewusstlos. Ich wusste, das ist etwas Ernsthaftes. Wir haben den Notarzt gerufen, bis er – unheimlich schnell – kam, habe ich versucht, ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben und ihm die Zunge, die er bereits verschluckt hatte, aus dem Hals gezogen." Damit rettete er dem Trainer das Leben. „Es war ein Schock für den ganzen Verein", erinnert sich Ruhs. „Daschner kam zwar bereits im Notarztwagen wieder zu Bewusstsein. Er wurde aber leider nie wieder der Alte."

Ruhs blieb der SpVgg nach der aktiven Karriere noch ein paar Monate als Manager treu. Danach war er viele Jahre als Immobilienmakler in Starnberg tätig. Sohn Timo (32) arbeitet aktuell bei „Alpetours", Tochter Daniela (42) ist Professorin an der Uni Mainz. Sie hat cdem gebürtigen Oberpfälzer zwei Enkelkinder geschenkt: Hanni (6) und Benny (4). Timo ist der Taufpate von beiden.

Und Fußball? Da ist der Ex-Profi „nur noch TV-Zuschauer." 2011 hatte er noch eine Vision: Die FT mit einem Dreijahresplan in die Bayernliga bringen. Klappte schon im Ansatz nicht, da die FT-Mitglieder den ehemaligen SpVggler nicht in einer Führungsposition wollten. „Gut so", sagt er heute „Denn das wäre völlig in die Hose gegangen."

Ruhs Fazit zum 70.: „Der Fußball ist völlig anders geworden. Früher war viel mehr Herzblut dabei, da war man stolz auf den Verein, für den man spielt. Deshalb war ich auch kein Wandervogel und war nur für Regensburg, Ingolstadt und Starnberg aktiv." Und seine Zeit bei der SpVgg? „Unvorstellbar, was damals alles passiert ist. Das waren ein paar Jahre Spektakel und High Life. Einfach eine großartige Zeit!" 

Heute ist Ruhs beim Fußball nur noch Zuschauer, wie der Ex-Fußballspieler gesteht. Foto: Thomas Ernstberger
Mit 19 war Ruhs schon Profi bei Jahn Regensburg. Foto: Ruhs
„Poltergeist aus der Oberpfalz", nannte ihn SpVgg-Boss Dr. Gerd Wernekke. Foto: Ruhs