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Präsenz, Aktualität, Kreativität und Respekt: Der Dießener Sportreporter Thomas Ernstberger spricht über seinen Job.

Auch im Ruhestand wird Thomas Ernstberger nicht aufhören zu schreiben. Foto: Alois Kramer

Ammersee West – Wenn es nach dem Willen seines Vaters gegangen wäre, hätte Thomas Ernstberger Lehrer werden sollen. Der war Gymnasiallehrer. Direktor des Kurt-Huber-Gymnasiums in Gräfelfing. In der Würmtal-Gemeinde ist Ernstberger auch aufgewachsen. Aber irgendwie hat es den späteren Sportjournalisten zur Zeitung gedrängt. Jetzt, im Ruhestand, kann der Journalist auf ein Leben voller Artikel, Episoden und Erlebnisse zurückblicken. Und da sollen noch viele folgen...

Man sieht dem Mann mit dem verschmitzten Lächeln seine 64Jahre nicht an. Lehrer war irgendwie nicht sein Ding, meint er. Da Thomas den Wunsch seines Vaters nicht erfüllen wollte, legte der dem Abiturienten (humanistisches Ludwigs-Gymnasium in München) eines Tages die Ausschreibung der renommierten Deutschen Journalistenschule in München auf den Tisch mit der Bemerkung: „Bewirb Dich doch mal bei denen". Das tat er.

„Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen. Die Aufnahmeprüfungs-Reportage hieß ,Verkaufsoffener Samstag vor Weihnachten'. Heute kann ich es ja verraten: Ich dachte mir einfach eine schöne Geschichte aus. Ich war gar nicht vor Ort und befragte niemanden". Die Arbeit schlug trotzdem ein. Thomas Ernstberger wurde genommen. Er fing später beim Münchner Merkur an. Er kam zuerst nach Wolfratshausen, dann nach Starnberg.

Dort hatte Ernstberger eine Idee, die Schule machen sollte: Er baute eine lokale Sportredaktion auf. „Das gab's damals noch nicht. Sport war früher komplett verteilt über die ganze Zeitung. Es gab kein einheitliches Konzept, keinen Rahmen für Sportereignisse". Zu diesem Konzept gehörte auch der Gedanke, erstmals den Jugendfußball in der Tageszeitung zu integrieren. „Das kam sensationell gut an". So hatte der damalige Starnberger Jugend-Spieler Wiggerl Kögl (später Nationalspieler und Deutscher Meister mit Stuttgart und Bayern) erstmals eine mediale Bühne. Von Starnberg ging's zurück in die Heimat: „In Planegg habe ich die Würmtal-Redaktion des Merkur aufgebaut". Nachdem alles lief, ist es dem jungen Redakteur journalistisch zu uninteressant geworden: „Du hattest nur fünf Gemeinden. Gauting, Planegg, Gräfelfing, Neuried und Krailling. Das war mir letztlich zu wenig."

Nachdem er seine Arbeit im Würmtal erfolgreich abgeschlossen hatte, wechselte er wieder nach Starnberg. Dieses Mal als stellvertretender Redaktionsleiter. „Schließlich kam ein Anruf aus der Münchner Zentrale, ob ich nicht das neue Projekt „Kreisbote" machen möchte?" Aus dem Werbeblatt sollte eine richtige Zeitung werden. Sowas wie eine Sonntagszeitung. Deshalb gibt es auch heute noch die Pfarrer-Kolumne im Kreisboten.

Aber daraus wurde nichts: „Neue Chefs hatten andere Ideen." Ernstberger wechselte nach München und trat am 1. Januar 1993 einen neuen Job als Sportreporter bei Bild-München an. Seine „schönste Zeit": Die beiden Bundesliga-Jahre der SpVgg Unterhaching. Bei allen 68 Spielen, die der Münchner Vorort-Club im Oberhaus absolvierte, saß Ernstberger auf den Pressetribünen. Highlight natürlich: Der „Meistermacher-Sieg" gegen Leverkusen. Ballack schoss ein Eigentor, Unterhaching bezwang die Werkself und verhalf so den Bayern zum Titel. „Zur Meisterfeier der Bayern wurden die Unterhachinger spontan eingeladen. Und ich auch. Das wäre heute undenkbar. ".

2004 wurde aus dem Haching- der 1860-Reporter von BILD München. Das war er dann bis zu seinem Vorruhestand. „Eine großartige Zeit, in der ich viele tolle Leute kennengelernt habe. Bei jedem Training, bei jedem Spiel und in jedem Trainingslager war ich dabei. Du musst immer präsent sein. So haben sie mich auch wahrgenommen. Auf diese Weise baute ich mir Vertrauen zu den Spielern und ein Netzwerk auf. Von dem zehre ich übrigens heute noch. Wenn einem die Leute vertrauen, erzählen sie dir auch mal was, was du nicht schreiben darfst. Diese Vertrauen darfst du aber nicht missbrauchen, sonst erfährst Du nie mehr etwas". Mit Gábor Király, dem ungarischen Rekord-Nationaltorwart, der von 2009 bis 2014 für 1860 spielte, hat er immer noch Kontakt. Genauso wie mit den meisten ehemaligen Hachingern und dem großartigen Trainer Lorenz Köstner. Der ehemalige SpVggler Markus Oberleitner ist heute einer seiner besten Freunde.

„Das Verhältnis des Journalisten zu Trainer und Sportlern sowie Pressesprechern war damals komplett anders. Es hat sich so vieles geändert", erklärt Thomas Ernstberger. „Wir hatten das Bewusstsein, alle in einem Boot zu sitzen - für den Erfolg. Es war selbstverständlich, dass man mal schnell im Mannschaftsbus zum Flughafen mitgefahren ist und in dem Hotel gewohnt hat, in dem die Mannschaft untergebracht war. Jetzt gibt es – nicht zuletzt wegen der vielen sozialen Medien - zwei Boote, die gegeneinander rudern. In einem sitzen die Journalisten, im anderen der Verein." Früher hat man ein Interview geführt, da war nur der Sportler dabei – und es wurde abgedruckt. Heute sitzt noch ein Mitarbeiter der Medienabteilung dabei. Dann wird das Interview zur „Autorisierung" eingereicht, gegengelesen oder „verschlimmbessert". Kurz: „Oft einfach komplett verhunzt."

„Mein Anspruch bei der Bild war immer, seriös zu arbeiten. Dazu gehören meine vier Grundregeln: Präsenz, Aktualität, Respekt und Kreativität". Den Spruch „Es ist nichts los, also gibt's nichts in der morgigen Ausgabe", kann er deshalb nicht nachvollziehen. „Dann musst man halt seine Vereine durchrufen oder sich eine Serie einfallen lassen. „Ich konnte am Morgen nie in die Redaktion kommen und sagen ,Ich habe heute nichts'". Gerade in Zeiten wie diesen mit Corona und dem Mangel an vielen Veranstaltungen ist diese Einstellung wichtig. Man muss einfach kreativ sein und sein Netzwerk nutzen", so der Sportreporter.

Auch Präsenz ist für einen Journalisten unentbehrlich, meint er. „Mein Reporterjob für Bild hat mich jahrelang fast jedes Wochenende gekostet. Aber Ich kann über ein Fußballspiel eben nur dann objektiv schreiben, wenn ich es gesehen habe". Dazu muss man vor Ort sein – und nicht vorm Fernseher sitzen. Ernstberger: „Wenn Dir ein TV-Reporter 15 mal erzählt, wie gut ein Spieler ist, dann glaubst Du es irgendwann einma". Im Stadion ist die Situation ganz anders. „Du siehst das ganze Spielfeld. Du kannst beobachten, was links oder rechts auf dem Feld passiert". Selbst als er noch in Starnberg war, hat er die Fußballer nach Amberg, Plattling oder Weiden begleitet.

Als Bild-Reporter „lernte ich ganz Deutschland kennen. Meistens arrangierte ich die Termine so, dass ich nicht nur zum Spiel hin flog und dann sofort wieder nach Hause. Ich ließ mir die Zeit, auch über die Städte etwas zu erfahren – egal, ob das Rostock, Cottbus, Hamburg, Bremen, Aue oder Freiburg war. Dazu kamen Trainingslager in Österreich, in Südtirol oder in Portugal.Ich habe aber nicht nur über Fußball berichtet, sondern auch über die Basketball-EM in München, Handball, Eishockey, das Münchner Sechstagerennen, den Münchner Top-Schwimmer Christian Tröger, Ski-Weltmeisterin Miriam Vogt oder die BMW-Open im Tennis. Ich war der erste, der ein großes Interview mit Tennis-Star Tommy Haas geführt hat."

Aktualität bedeutet für den Sportreporter, dass der Bericht über ein Spiel am nächsten Tag in der Zeitung steht, auch wenn es wirklich mit Druckbeginn recht eng wird. Der Respekt gehört für Ernstberger zu den wichtigsten Grundcharakteristiken des Journalismus. „Du musst Dein Gegenüber, ob er nun Interviewpartner, Spieler oder einfacher Platzwart ist, achten", fordert er. „Elfer-Trottel oder sonstige Deppen sind in meinen Artikeln nie vorgekommen."

Was er im Ruhestand machen wird? „Natürlich schreiben. Ich denke, ich habe noch immer den Blick für eine gute Geschichte – sei es über „seine" Fußball-Frauen des MTV Dießen,Motorrad-As Marcel Schrötter oder sonstige Sportler aus dem Landkreis Landsberg und Starnberg. Aber ich werde sicher nicht mehr jedes Wochenende und ganz sicher ohne den täglichen Druck arbeiten. Früher bin ich in der Regel aus dem Büro hinausgegangen und habe mich gefragt: ,Was mache ich am nächsten Tag?'. Das passiert mir bestimmt nicht mehr. Schließlich will ich auch künftig viel Zeit auf Mallorca verbringen. Das ist meine zweite Heimat – ganz weit weg vom Ballermann", lächelt der Ruheständler. 

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