Dießen – 2020 war in jeder Hinsicht ein seltsames Jahr. Für jeden - und für jeden irgendwie anders. Auch die Sportler haben arg unter der Corona-Pandemie gelitten. „Ich hatte mir mein Jubiläumsjahr ganz anders vorgestellt", sagt Nico Weis (42), der Trainer der Landesliga-Fußballerinnen des MTV Dießen. Seit zehn Jahren ist der Mann der mit der Rasta-Mähne nun Coach der Damen vom Ammersee. Aber so etwas hat er noch nicht erlebt: „Wir hatten 2020 ganze sechs Punktspiele – und mehr als doppelt so viele Testspiele. Das ist schon mehr als kurios."

Corona hat nicht nur die seit dem Sommer 2019 laufende Saison zerstört. Auch auf eine Feier zum Zehnjährigen mussten Weis und seine Mädels, die wie eine Eins hinter ihm stehen, verzichten. Dabei hätte der Trainer zumindest einen kleinen Umtrunk (mit Latte macchiato oder Cappuccino) verdient: Immerhin hat er die MTV-Damen aus der Bezirksliga bis hinauf in die Bayernliga geführt.

Im Sommer 2010 trat Weis die Nachfolge von Hans Rölz aus Breitbrunn, der zehn Jahre im Amt war, an. Er erinnert sich: „Damals wäre es fast gekippt" – denn auch die Herren des MTV wollten ihren ehemaligen Kapitän als Trainer. „Aber ich hatte schon bei den Damen zugesagt und sagte den Herren ab."

Damit begann eine „große Umbruchsphase mit vielen strukturellen Veränderungen", erzählt der Produkt-Manager bei einer Marketing-Firma. Und fügt mit einem Schmunzeln an: „Alles unter den strengen Augen von Maria Steinle, die am Anfang ein bisschen skeptisch war, das Training genau beäugt hat und auch im Trainingslager dabei war. Aber sie hat mich auch mit Rat und Tat unterstützt und half mit, die Findungsphase zu einem positiven Ende zu bringen." Bereits im Sommer 2011 begann eine ganz besondere Erfolgsgeschichte.

2012: Bezirksliga-Meister und Aufstieg in die Bezirksoberliga.

2013: Vizemeister, damit knapp den „Durchmarsch" verpasst, und BFV-Bezirkspokalsieger.

2014: Pokal-Titel verteidigt und als Meister der Bezirksoberliga Aufstieg in die Landesliga.

2015: Bombenstart in die Landesliga mit 13 Punkten aus den ersten fünf Spielen.

2017 dann der Höhepunkt und „die absolute Krönung": Nach den Relegationsspielen gegen den FC Ingolstadt und den oberfränkischen SV Frensdorf steigen die Dießener Damen nach einer Hitzeschlacht vor 500 Zuschauern in die Bayernliga auf. „Das Highlight in meiner zehnjährigen Trainer-Geschichte", sagt Weis. „Ein riesiger Erfolg für mich, die Mädels und für den ganzen Verein. Und ein einmaliges Erlebnis, dieses Jahr mitzunehmen und auf diesem hohen Niveu gegen Top-Teams antreten zu können. Wir hatten plötzlich ein Schiedsrichter-Gespann, Pressekonferenzen nach dem Spiel und viel mehr mediale Aufmerksamkeit. Das waren eine tolle Zeit. Und ich denke, wir haben uns auch richtig gut geschlagen. Mit 24 Punkten hat nicht viel zum Klassenerhalt gefehlt."

Aktuell kämpft die Truppe von Nico Weis (seit 1988 im Verein, rund 650 Spiele im Seniorenbereich und 2008 Kapitän der Mannschaft, die vor 1000 Zuschauern in Pähl in die Kreisklasse aufstieg) um den Verbleib in der Landesliga. „Wegen Corona und den langen Pausen die größte Herausforderung meiner Trainerkarriere. Es ist fast unmöglich, unter diesen Voraussetzungen eine Mannschaft zusammen und bei Laune zu halten", erlärt der VfB Stuttgart-Fan.

Zwei Spielerinnen sind vom ersten Tag ihres Trainers an mit dabei. Kapitän Maria Breitenberger (35) und Torjägerin Andrea Bichler (27) haben seit 2010 so gut wie kein Spiel verpasst. Zusammen haben sie 2196 Einheiten unter Weis absolviert –„Andrea 1106 und Maria 1090. Es gab nur eine einzige Einheit, an der keine der beide teilgenommen hat. Zusammen haben sie 556 Spiele, davon 355 Pflichtspiele absolviert. Andrea 281, Maria 275. Und sie haben 190 Pflichtspieltore erzielt. Breiti, die mit Tapes bis zum Hals aufgelaufen ist und sogar mit gebrochener Ferse gespielt hat, 89, Andrea 101", weiß der Trainer. „Der beste, den man sich wünschen kann. Er hat den Dießener Frauenfußball verändert und geprägt", sagt sein Kapitän. Und Bichler ergänzt: „Er gibt 110 Prozent für uns."

Zehn Jahre Nico Weis, tolle Erfolge seiner Damen – und Aufstiege, die ihm jedes Mal gut 30 Zentimeter seiner Haarpracht gekostet haben. Trotzdem muss er, obwohl der Frauen-Fußball in Deutschland mittlerweile einen viel höheren Stellenwert besitzt als 2010, feststellen: „Wir werden zwar nicht mehr so belächelt wie früher, aber du bleibst immer ein bisschen der Exot. Die Gleichberechtigung ist in der wahren Welt noch nicht angekommen. Man kämpft immer mit blöden Sprüchen und Vorurteilen und muss sich rechtfertigen, wenn man eine Frauen-Mannschaft trainiert. Aber das haben die Mädels nicht verdient, dafür sind die Qualität und die Einstellung viel zu gut."

Die aktuelle Saison soll im Frühjahr 2021 fortgesetzt werden. 

Aufstieg in die Bayerrnliga – der größte Erfolg der MTV-Damen. Foto: Thomas Ernstberger