Landsberg am Lech – Wie malt man ein Dingsbums? Für fünf Künstlerinnen der Lebenshilfe Landsberg ist das kein Problem. Nach dem vorsichtigen Ertasten in einer geschlossenen Pappkiste haben sie Farbe, Form und Beschaffenheit im Kopf – und bringen alles in bunten, spannenden Bildern aufs Papier. Das Gemälde selbst, so Kunsttherapeutin und Lebenshilfe-Mitarbeiterin Melanie Widmann, steht allerdings nicht im Mittelpunkt. Wichtiger ist die heilende Wirkung des Malens und das, was dabei besprochen wird.
Die fünf Teilnehmerinnen am Abendkurs sind ausgesprochen mutig. Alle trauen sich, ihre Hand über den vorbereiteten Strumpf in die geschlossen Pappschachtel zu stecken und das Dingsbums im Inneren zu erfühlen. Dabei wird gestaunt, kritisch geschaut oder glücklich gelacht.
Nach drei verschiedenen Schachteln, die die Kunsttherapeutin im Kreis herumreicht, stehen die jeweiligen Favoriten fest und die Frauen haben eine genaue Vorstellung von ihrem Dingsbums. Das von Renate S. ist „hart, rot und spitzig wie ein Tannenzapfen", das von Dagmar Baumann „gelb, angenehm und beruhigend", das von Daniela G. „rot und lustig".
Sensorische Integration – also die Aufnahme und in diesem Falle bildliche Verarbeitung von Sinnesreizen – lautet der Fachbegriff für das, was heute Abend im Penzinger Atelier von Melanie Widmann passiert. Sie hat zu diesem Thema ihre Abschlussarbeit am Forum für Analytische und Klinische Kunsttherapie e.V. in München geschrieben und das Konzept an der Förderschule in Landsberg entwickelt und durchgeführt.
Nun setzen die Bewohnerinnen der Lebenshilfe ihre Tasteindrücke in Bilder um – mit Wasser- und Fingerfarben sowie Wachsmalkreiden. Wie schon beim Fühlen, steht ihnen Melanie Widmann mit viel Empathie, Lob und Ermutigung zur Seite, fördert und stützt sie. So bestärkt sie Renate S. darin, ihr Bild mit einem Farbenverlauf zu ergänzen. Sie zeigt ihr auf einem Probepapier wie es geht und lobt sie für das Resultat: „Du bist ja eine echte Künstlerin!"
Die 44-Jährige lockt heraus, wie „spitzig" gezeichnet werden kann, fragt nach, regt Ergänzungen an und würdigt Prozess und Ergebnisse. „Jedes kreative Schaffen", sagt sie, „hat heilende Wirkung: Alle gehen besser nach Hause als sie gekommen sind." Und damit meint sie nicht nur die offensichtliche Freude, die die Frauen beim Malen und mit ihrem Gemälde haben. Viele sind in diesem Moment auch „ganz bei sich" und müssen sich zum Beispiel nicht ständig wiederholen.
Ähnliches hat Melanie Widmann auch bei den beiden vorhergehenden Therapiestunden erlebt, als die Teilnehmerinnen Klang- und Geruchsbilder in verschiedenen Techniken gefertigt hatten. Und ebenso in ihrer Vormittagsgruppe am Eulenweg, die vorwiegend aus Rentner*innen besteht.
Bei den abschließenden Bildbesprechungen kommen nicht nur viel Stolz auf das eigene Schaffen, sondern auch viel Phantasie zum Vorschein. In Dagmar Baumanns Bild etwa finden sich Bereiche, in denen man sich „entspannen" kann und andere, in denen es „regnet". Anja E. hat zu ihrer Erdkugel Wolken, aber auch Kreuze gefügt, die „an den Tod erinnern" und „wichtig" sind. Und Daniela G. hat die geliebte „Heidi" in ihr buntes Bild gemalt.
Drei Therapiestunden können die fünf Frauen noch genießen, dann ist der Kurs vorerst zu Ende. Allerdings hat Melanie Widmann schon Ideen für eine Fortsetzung- zum Beispiel mit den Themen „Vom Ich zum Du" oder „Wohlfühlbox"…
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