Die Münchner Stadträtin Laura Sophie Dornheim von den GRÜNEN wollte Aiwanger überhaupt nicht auf dem Oktoberfest sehen. Sie postete ein Selfie, auf dem Aiwanger im Hintergrund zu sehen ist, und setzte den Satz dazu: „Nächstes Jahr pack ich mir nen ‚Nazi raus' Button ans Dirndl". Gegenüber der BILD-Zeitung sagte sie: „Das dürfen Sie interpretieren". Von ihrem Dienstherren, Oberbürgermeister Reiter, bekam sie dafür einen Rüffel. Die Wiesn sei eine politikfreie Zone, dies gelte auch für die Referentinnen und Referenten der Stadt München.
Einem Johann van de Bron aus dem Rheinland mit 22 500 Followern ist sogar das Dirndl ein Graus. Er verkündete auf Twitter:
„Zur Erinnerung am Beginn des Oktoberfestes. Beim Dirndl handelt es sich nicht um eine traditionelle Tracht, sondern um ein von der NS Frauenschaft entworfenes Cosplay, dass (!) die Gebärbereitschaft der nationalsozialistischen Frau repräsentierten soll". (Cosplay bedeutet soviel wie Kostüm)
In einem hat er Recht. Das Dirndl ist kein traditionelles Gewand. Twitter Nutzer rieben ihm unter die Nase, dass es nicht von den Nazis erfunden wurde, sondern Ende des 19. Jahrhunderts bei den Damen der städtischen Oberschicht in der Sommerfrische als „ländliches" Kleid in Mode kam. Das sei alles in einem Wikipedia Eintrag nachzulesen. Dass es dann zu einem Massenphänomen wurde, daran waren maßgeblich die jüdischen Brüder Moritz und Julius Wallach aus Bielefeld beteiligt, die 1900 als Zugereiste in München das Trachtenhaus Wallach gründeten. Der Durchbruch erfolgte 1910, als die Brüder Wallach zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfestes kostenlos den Landestrachtenzug ausstatteten.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Dirndl zum Kassenschlager, da es als schlichtes Sommerkleid eine preiswerte Alternative zu den teuren, aufwendig gearbeiteten wirklich historischen Frauentrachten darstellte. In den 1930er Jahren wurde das Dirndlkleid durch die Operette Im Weißen Rößl ein weltweiter Modetrend.
Die Nationalsozialisten versuchten dann das Dirndl für ihre Zwecke zu nutzen. Eine „Reichsbeauftrage für Trachtenarbeit", eine Gertrud Pesendorfer, entwarf eine im nationalsozialistischen Sinn „erneuerte Tracht". Das bis dahin eher züchtige Dirndl wurde erotisiert, indem die Taille enger geschnürt und die Brust betont wurde. Damit sollte laut Pesendorfer das „Wurzelechte" des Dirndl wieder hervortreten. Dazu sollten NS-Symbole wie Lebensbaum, Lebensrad und Vogelpaare das Dirndl zieren. Jüdinnen war das Tragen dieser „echten Volkskultur" verboten. Dieser Teil des Wikipedia Artikels wurde von den zahlreichen Twitternutzern, die Johann van de Bron ob seiner Unkenntnis schmähten, allerdings unterschlagen.
Wenn Herr van de Bron meint, in all den Dirndl-Kreationen, die heute von Besucherinnen aus aller Welt in all ihrer Diversität zur Schau getragen werden, sei nationalsozialistische Gedankengut enthalten, hat er sich wohl etwas verstiegen. Ist daraus etwas zu lernen? Valentin hätte gesagt: „Des ignoriern ma net amoi". Nun haben wir es nicht ignoriert. Also. Man sollte das Oktoberfest Oktoberfest sein lassen und dem Dirndl keine höhere Bedeutung beimessen.
Hans Dieter Sauer ist regelmäßiger Autor von aloys.news. Der Geophysiker lebt in Pähl und schreibt ebenfalls für die NZZ sowie den Münchner Merkur. Anm. der Redaktion
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