Folge 21
An etwas anderes erinnere ich mich noch mit so viel Freude und ich erzähle diese Geschichte heute noch Kindern, Freunden und Verwandten und jedem, der sie hören will, weil sie so herz- ergreifend ist. Auch Ihnen möchte ich sie deshalb nicht vorenthalten:
Rheinländischer O-Ton: „Früheraren alle Tiere rosa. Eines Tages rief der Liebe Gott alle Tiere zusammen und sagte: Ich will Euch Allen eine schöne Farbe geben. Im Farbengeschäft kaufte er also eine ganze Menge verschiedener Farbtöpfe und fing an, alle Tiere zu bemalen. So bekam das Zebra ein weißes Fell mit schwarzen Streifen, die Vögel wurden bunt, das Pferd braun, der Elefant grau und jedes Tier bekam seine Farbe, die es heute noch hat. Zum Schluss war die Farbe alle. Nur det rosa Schweinschje stand noch da und weinte bitterlich und der Liebe Gott war ratlos. Da ihm det Schweinschje so leid tat, dachte er nach, wie er ihm doch noch eine Freude machen könnte. Und plötzlich bekam er eine Eingebung und sagte zu det Schweinschje:„Ich hab's. Komm doch mal her". Und det Schweinschje ging zum Lieben Gott. Der nahm eine Haarwickelzange und verpasste det Schweinschje ein lustiges Ringelschwänzschje. Det Schweinschje drehte sich um, sah sein Ringelschwänzschje und quiekte vor Freude. Und so waren Beide, der Liebe Gott und det Schweinschje, überglücklich".
Vergess' ich mein Leben nicht mehr!
Mein Vater machte jedenfalls meiner Oma mit einer Holländerin einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Nicht nur ihr, sondern auch ihrer holländischen Verwandtschaft, die, wie wir mittlerweile wissen, aus einern sehr deutschfreundlichen und einern sehr deutschfeindlichen Lager bestand. Mein Vater besaß gottlob ein sehr einnehmendes Wesen, womit er es schaffte, sogar Letzteres auf seine Seite zu ziehen. Er war also bei der gesamten holländischen Verwandtschaft äußerst beliebt. Mit dieser Kraft im Rücken konnte meine Oma garnicht anders als diese liebenswerte Holländerin zu akzeptieren. Gottseidank, kann man nur sagen, denn was wäre ich sonst für ein ganz anderes Kerlchen geworden??
Zwei der drei Geheimnisse sind hiermit schon gelüftet. Wir machen den Anlauf zur dritten Enthüllung. Darauf müssen wir aber noch ein bisschen warten, denn mein Vater hatte nicht mehr die Absicht, seine Mutter, meine liebe Oma, mit weiteren Katastrophen zu konfrontieren. Er war wieder in München und bekam das wunderschöne Forstamt Kranzberg bei München-Freising. Er war dort in seinem Element, da nicht nur meine Oma in der gusseisernen Gartenlaube dort ihren Mann meinen Opa und ebenfalls Forstmann, kennengelernt hatte und schon damit einen Bezug zu diesem Forsthaus schuf, sondern auch dadurch, weil im Kranzberger Forst vom bayerischen Forstministerium ein ganzes Waldstück mit exotischen Bäumen bepflanzt worden war. Es war ein Versuchsgelände, Arboretum genannt, auf dem getestet wurde, wie Koniferen, Zypressen, Redwoods aus Kalifornien und andere exotische Baumsorten hier eingeforstet werden konnten.
Dieses Arboretum gibt es heute noch, wenn auch in einem sehr heruntergekommenen Zustand. Wer es trotzdem einmal besuchen möchte: Es liegt südlich der Bundesstraße Freising-Allershausen bei der kleinen Ortschaft Thalhausen. Dort geht es links weg und nach einem Parkplatz ein ganzes Stück in den Wald hinein, bis man auf eine kleine Lichtung mit einer Kapelle stößt, die inmitten eines malerischen kleinen Friedhofs mit uralten schmiedeeisernen Kreuzen steht. Die Lage der sieben ehemaligen Bauernhöfe von Oberberghausen, wie der Weiler hieß, kann man heute nur noch anhand von herumliegenden Ziegelsteinen erahnen. Die Bewohner, die sich vordem mit mühevoller Verarbeitung von Weiden zu Korbgeflechten abrackerten, wurden umgesiedelt und erhielten anderweitig neue Höfe mit ertragreicheren Böden. Das Arboretum selbst ist aufgegeben und bietet nur noch kümmerliche, völlig verwunschene Bäume, ist aber trotzdem auch für Nicht-Botaniker noch äußerst sehenswert, wenn man die Hintergründe kennt. Pappi's Förster Ludwig Näßl hat im Übrigen eine interessante Abhandlung über dieses Arboretum verfasst.
Die Mutti schwärmte immer vom Forsthaus Kranzberg. Sie kam aus dem flachen Holland. Dort gab es keinen Schnee und in der Stadt (Rotterdam) keine Bauern. In der Nacht zur Christmette nun stapften damals die Bauern mit ihren Laternen durch den hohen Schnee den Berg hoch, am Forsthaus vorbei, in Richtung Kranzberger Kirche. Ich habe das einmal nachempfunden. Es ist ein Gänsehauterlebnis, heutzutage immer noch. Ich bin öfters in Kranzberg, kenne die netten heutigen Besitzer, einen Schuhfabrikanten aus Freising, der meine Geschichte kennt und mich immer aufs herzlichste willkommen heißt, wenn ich dort mal aufkreuze. Die bayerische Forstverwaltung hat vor langer Zeit das Forsthaus mit einem unermesslichen Garten an Private verkauft, nachdem das Forstamt Kranzberg aufgelöst wurde.
Stolz auf seine Heimat Bayern, wie auch ich, machte unser Vater mit seinem Motorrad die Umgebung seiner alten Heimat, dem Forsthaus Karlstein, unsicher. Eines Tages sprach ihn ein Freund an und sagte: Du, ich hab' dich gestern mit deinem Motorrad gesehen und hintendrauf hast du ein Flitscherl gehabt. Entrüstet sagte ihm unser Vater: … Entschuldige mal, das Flitscherl war meine Frau! Ja, so tief kann man in´s Fettnäpfchen fallen. - Damit unsere Mutter gleich einen richtigen Eindruck von ihrer künftigen Heimat bekam, nahm unser Vater sie gleich mit auf den Watzmann. Mit Bravour und ohne Muskelkater schaffte die Flachländerin auf Anhieb ihr Bergerl.
Jetzt scheine ich tatsächlich den Faden verloren zu haben ... Ach ja, Stichwort Java. Damals zuständig für obiges Arboretum war unser Vater mit seinem Forstamt Kranzberg. Wie es der Zufall so will, wurde eines Tages in dem Forsthaus seine Tochter auf Kiel gelegt und, der üblichen Zeitfolge nach, neun Monate später in der Kinderklinik Maistraße München geboren, nicht aber, bevor sie dort irrtümlich mit einem anderem Baby vertauscht wurde, was meine schlaue Mutter zwar sofort merkte, die andere aber nicht. Liselotte, so hieß meine Schwester, nuckelte schon ahnungslos an fremder Brust.
Und so kamen eines Tages schicksalhaft wieder die holländischen Forstbeamten nach Kranzberg und fragten meinen Vater, ob er nicht wieder Lust hätte, im Hinblick auf seine Tropenerfahrung nach Java zu gehen. Diesmal wusste er, wo Java lag und er sagte sofort zu, denn hier in Deutschland fiel ihm mittlerweile "die Decke auf den Kopf". Die mit dem Kriegsende verbundene Hungersnot, die Inflation und die in München ausgebrochene Revolution waren für diesen Entschluss wohl ausschlaggebend.
Die Oma war untröstlich. Mit anderen Kollegen (denen es auch so ging) schiffte er sich drei Monate später nach Java ein. Das Schiff hieß …"Kawi". Es hatte den Krieg überlebt, und ein anderer Kapitän war auch drauf. Mit gemischten Gefühlen passierte er Gibraltar und zeigte seiner Frau den schicksalhaften Felsen, wie ich ihn heute nenne: The Rock of Destiny.
Es folgten zwei Vertragszeiten von je 6 Jahren, in denen unser Vater jetzt repräsentativere Forstämter bekam wie Semarang und Probolinggo (wo ich dann letztendlich geboren wurde). Auf seiner achten Auslandsreise besuchte der deutsche Kreuzer „Emden" (II) auch Probolinggo. UnseremVater als ranghöchster Repräsentant Ostjavas fiel die Ehre zu, seine Landsleute, den Kommandanten (Raeder) und die höchsten Offiziere der „Emden", offiziell zu begrüßen und einzuladen.
Die beiden Vertragszeiten wurden in 1927 und 1934 unterbrochen bzw. beendet mit einem 6monatigen Urlaubsaufenthalt in Breitbrunn am Ammersee. Das Häuschen steht heute noch und gehörte damals wie heute der Familie von Falkenhausen, dem späteren Motorenentwickler von BMW, wo ich per Zufall und in Unkenntnis dessen 40 Jahre später selbst landen sollte.
Bandoeng war Pappis letzter Posten, vergleichbar mit dem eines Commodore bei der Handelsmarine, also der beste Standort vor der Pensionierung. Fotos zeugen noch von einem feudalen Stadthaus in der Tjisangkoeistraat Nr. 6.
Und jetzt sind wir wieder genau dort, wo ich von Seite 49 den "Seiten"sprung bis hierher gewagt habe. Jetzt kann's also weitergehen.
Fortsetzung folgt
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