Folge 26
Einen Tag nach unserer Ankunft in Kapstadt machte die „Hohenfels" hinter uns fest. Es folgte aberweder ein Besuch noch ein Wort des Dankes an die Adresse unserer „ Jagersfontein". Die Kollegen hatten doch in dem Moment weiß Gott andere Sorgen, denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn an Bord jemand stirbt.
Die Reise wurde nach Port Elizabeth, East London und Durban fortgesetzt. Zum ersten Mal hörte ich auf einem Schiff die Weise „Muss i denn, muss i denn, zum Städtele hinaus", eine bei der internationalen Passagierschifffahrt beliebte Melodie bei der Abfahrt aus einem Hafen, die immer traurig stimmt. Das ist wahrscheinlich auch die Absicht.
An den beiden Städten Port Elizabeth und East London fehlt mir jegliche Erinnerung. Es war wahrscheinlich auch nichts zu erleben.
Ganz anders Durban. Schon bei der Einfahrt durch die schmale Fahrrinne am Bluff sah ich an der Südseite an einem slipway (einer schrägen Rampe) mehrere tote Walfische aus der Antarktis im Wasser liegen, die anscheinend auf Weitertransport und anschließender Verarbeitung warteten. Sie stanken schon damals zehn Kilometer gegen den Wind.
Der Strand von Durban war schön, aber total überfüllt. Draußen im Meer hatte man ein langes Netz gespannt, um die zahllosen (weißen!) Haie davon abzuhalten, ihre Nahrungskette mit Menschenfleisch anzureichern. Mich bekamen deshalb keine zehn Pferde ins Wasser. Trotzdem blieb der Strand verlockend und mit einem Maschinenanwärter verabredete ich mich, einmal den Südteil des Bluffs in Augenschein zu nehmen. Mit der Fähre ging's hinüber zum Bluff, dort, wo die Walfische vor sich hin zu stinken lagen. Auf der Fähre kam ich sogleich in Konflikt mit den Rassengesetzen, als ich mich dort hinsetzte, wo for swarties only reserviert war. Ich sagte dem Kontrolleur, was scheren mich Eure Rassengesetze, aber er drohte mit der Polizei. Der Klügere gibt nach.
Nach der Besichtigung der toten Wale tigerten wir dann zum Strand, wo keine Menschenseele lag. Das Wasser mieden wir instinktiv, was auch gut so war. Denn:
Oberhalb des Strandes verlief eine Eisenbahnstrecke und wir fragten uns, wo die wohl hinführte. Wir brauchten nicht lange zu warten, bis die nächste Lokomotive mit zwei Flachwagen auftauchte mit je einem Walfisch auf der Ladefläche. Und immer und immer wieder, was schließlich unsere Neugier bis ins Uferlose reizte, wohin die wohl mit unseren Kollegen von der anderen Seite der Reeling fuhren.
Wir fassten den Entschluss, uns an die Strecke zu stellen und beim Herannahen des nächsten Zuges mit dem Daumen zu winken. Tatsächlich, der Zug hielt an. Das braucht man bei uns an der ICE-Strecke nicht zu probieren. Jedenfalls, als Eisenbahnliebhaber erklomm ich (gottseidank!) die Lok, der Kollege kletterte auf den letzten Waggon und hielt sich an der Schwanzflosse fest. Der Zug nahm Fahrt auf, ich hatte den frischen Fahrtwind, meinem Kollegen strich der Wind das Aroma von zwei Walfischen um die Nase, die mindestens schon drei Wochen im Wasser vor sich hinfaulten. Aber auch mir wehte bald ein widerlicher Duft um die Nase, je näher wir uns der Walverarbeitungsfabrik näherten. Wir konnten erst vor Ort wieder aussteigen und der Gestank war unbeschreiblich, in einem Wort bestialisch. Die Wale wurden mit einer Dampfwinsch vom Wagen auf das Verarbeitungsdeck gezogen, das vom Öl ihrer Vorgänger speckglatt war. Trotzdem hatten ein paar junge Mädchen das Operationsfeld schon vor uns entdeckt und taten das einzig Richtige: Sie liefen barfuß durch die glitschige Brühe. Ich denke mal, dass ihre Füßchen die nächste Woche nicht mehr salonfähig waren.
Wir glaubten, schlauer zu sein und behielten unsere Schuhe an (die wir anschließend wegwerfen konnten. Also, wer war im Endeffekt schlauer?). Einer von den Arbeitern hackte Stufen in den Walkörper und schnitt mit einem Flensmesser eine Speckschwarte ab. Dann trieb man einen Haken hinein und unter grässlichem Getöse und unter dichten Dampfwolken (Gärungsprozess!) wurde der Wal auseinandergerissen und in kleinere Stücke zerlegt. Weiter hinten waren Löcher im Boden, so ungefähr 80 cm im Durchmesser mit einem Schutzgitter drumherum. In diese Löcher warf man die Stücke hinein. Unten war der Kessel, dem man dann über einen Hahn den goldgelben Tran entnahm. Ich fragte den Chef, ob denn da noch niemand hineingefallen wäre und wie man ihn wieder retten konnte. Nun, das sei alles sehr traurig, retten könnte man ihn nicht mehr, er wird halt mit gekocht. Später, bei der Kesselreinigung fände man aber seine Knochen, die dann der Witwe übergeben würden. Prost Mahlzeit! Gut dass man nicht alles weiß. Pferdefleisch in der Pizza ist schon schlimm genug! Nicht wegen der Pizza, sondern wegen dem Pferd. - Alle Abfälle wanderten von der Fabrik direkt ins Meer und dann braucht man sich nicht zu wundern, weshalb es da draußen nur so wimmelte vor Haien!
Fortsetzung folgt
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