Landsberg am Lech – Der Blick der jungen Frau aus Kamerun ist ernst, während ihre Klassenkameradinnen auf dem Foto lächeln. Trotzdem strahlt sie einen gewissen Optimismus aus. „Tantoh ist 17, sie musste im Bürgerkrieg zusehen, wie ihre Eltern und mehrere Geschwister vor ihren Augen erschossen wurden. Sie ist schwer traumatisiert, aber die Ausbildung zur Schneiderin gibt ihr Hoffnung auf eine bessere Zukunft", erklärt Clémence Labrentz, Gründerin des Vereins „Wings for Africa". Die Windacherin, die selbst aus Kamerun stammt, stellte kürzlich beim Netzwerktreffen für Ehrenamtliche in der Entwicklungszusammenarbeit ihre im Juli eröffnete Berufsschule in Yaoundé vor. Dort werden aktuell 20 Schülerinnen und Schüler im Nähen und Schreinern ausgebildet.


Eingeladen zum Austausch in den Veranstaltungssaal der Landsberger Lechsporthalle hatten Landrat Thomas Eichinger und die neue Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik, Miriam Anton. Knapp 40 Gäste, darunter auch Fair-Trade-Engagierte aus der Region und die Klimaschutz-Beauftragten des Landratsamts kamen zusammen. Hintergrund des Treffens ist das Bestreben des Landkreises Landsberg am Lech, eine kommunale Partnerschaft mit einem Landkreis im Globalen Süden aufzubauen. Koordinatorin Miriam Anton ist aktuell dabei, eine geeignete Partner-Kommune im Globalen Süden ausfindig zu machen. 


„Bei der Partnerschaft geht es darum, gemeinsam an lokalen und globalen Zielen für eine nachhaltige Entwicklung zu arbeiten und damit die Agenda 2030 mit den 17 nachhaltigen Zielen zusammen umzusetzen", so Anton. Dürre und Überflutung nehmen durch den Klimawandel zu. Besonders entwickeln müssten sich daher die Industrienationen, welche den größten Anteil an der Klimaveränderung haben. Sie zitierte aus einem aktuellen Bericht aus dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik: „Länder des Globalen Nordens mit ihrem auf Wirtschafts-Wachstum und Umweltzerstörung ausgerichteten Gesellschaftsmodell erweisen sich als hochgradig entwicklungsbedürftig".


Während der Landkreis mit seinem globalen Engagement neues Terrain betritt, engagiert sich Ludwig Gernhardt (Afrika-Hilfe Schondorf) schon seit fast 40 Jahren, hauptsächlich für Bildungs-Projekte in Tansania. Der Schondorfer begrüßt die Initiative des Landrates und plädiert für eine Partnerschaft auf Augenhöhe. „Zunächst einmal wollen wir unsere neuen Partner kennenlernen, mit Respekt, mit Anerkennung und Ermutigung als Ausdruck von Solidarität. Wir könnten versuchen, Einblick zu nehmen in ihre Ziele, in ihre Probleme, in angedachte Lösungen und wir könnten von uns darlegen, wie bei uns kommunale Politik gemacht wird und welche Sorgen uns dabei plagen." 


Die Gemeinde Schondorf am Ammersee startete bereits 2015 eine Klima-Partnerschaft mit der Gemeinde Puerto-Leguizamo in Kolumbien. Stefanie Windhausen und Michael Deininger, beide im Schondorfer Gemeinderat, erzählten ohne Beschönigungen von ihren Erfahrungen: dem Bau einer Wasserturbine, die Strom für Akkus eines elektrisch betriebenen Bootes am Rio Putumayo liefert, sowie dem Errichten von Brunnen. Durch Neuwahlen in der Partnerkommune wechselte die gesamte Verwaltung. Dadurch mussten sie bei Null anfangen, hinzu kam der enorme bürokratische Aufwand für die Fördermittel. Doch die beiden haben nicht aufgegeben. Michael Deininger flog im Oktober dieses Jahres nach Puerto-Leguizamo und startete ein größeres Brunnen-Projekt. In Zukunft könnten damit, wenn alles gut läuft, 30 000 Menschen in der Region Zugang zu sauberem Trinkwasser Wasser bekommen. Die Lehre aus ihren Erfahrungen: „Besser Lowtech als Hightech".
Auch Christoph Heumos aus Finning engagiert sich global. Er fördert den Fairen Handel mit Cashewnuts im Süden von Tansania und gründete ein Start-Up. Die Ernte wird vor Ort verarbeitet, dadurch schaffte er neue Arbeitsplätze und Perspektiven in der Region Tandahimba.


Direkt von seinem Einsatz im südlichen Äthiopien kam Uli Ernst, Bio-Landwirt und Dozent nach Landsberg am Lech. Seiner Meinung nach, sollte die landlose und arbeitslose Jugend in der Entwicklungszusammenarbeit einen hohen Fokus haben. Dies seien in den Ländern Afrikas, wo oft über 70 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, meist die Kinder von kleinen Bauernhöfen. "Von heute knapp 1,3 Milliarden wird sich die Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent bis 2050 verdoppeln. Diesen Menschen eine lebenswerte Perspektive vor Ort zu ermöglichen und gleichzeitig die Ressourcen unserer Erde zu erhalten, ist wohl die größte Herausforderung unserer Entwicklungszusammenarbeit. Die Bildung der Bäuerinnen und Bauern spielt hierbei sicher eine Schlüsselrolle. Im schlimmsten Falle können Naturkatastrophen und Kriege materielle Güter vernichten, die Bildung der Menschen wird bleiben und Entwicklungen voranbringen."


Das nächste Netzwerktreffen ist für März 2023 geplant.
Kontakt:
Miriam Anton
Koordinatorin Kommunale Entwicklungspolitik
Telefon: +49 (8191) 129 -1534
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Vorne rechts Landrat Thomas Eichinger