Dießen – Der international bekannte und mehrfach preisgekrönte Johannes Nagel aus Halle an der Saale zählt derzeit zu den derzeit wohl gefragtesten Keramikern in Deutschland. Der Diessener Heimatverein zeigt zum diesjährigen Töpfermarkt seine Arbeiten im Taubenturm von Donnerstag, 18. Mai bis Sonntag, 21. Mai. Nagel war einst Student und Assistent in der Keramikklasse der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle.
Keramische Schutzhüllen, greifbare Gefäße, erfassbare Räume, verbeulte Behältnisse, unerklärliche Vorratsspeicher – die Formen sind immer sprechende Objekte, kenntlich als Vasen, Flaschen, Bottiche, Fässer, Schläuche. Nur der selbsterklärende Verwendungszweck wird nicht mitgeliefert. Das sind nicht einfach nur Aufbewahrungsobjekte aus Porzellan. Es sind Behälter mit offensichtlicher Individualität und in Maßen rätselhaft. Sie sind raus aus der Zeit. Die Gefäße assoziieren archaische Gerätschaften oder den Nestbau mit groben Wandverschmierungen in natürlichen Höhlungen. Sie erinnern an Naturformen, an sezierte und fest konservierte Organe oder große gepanzerte Früchte mit harten Schalen. Die porzellanen Ab- und Ausgüsse sind Umformungen des Lebendigen, der Bewegung, ein gestisches Umgreifen der Hohlform. Alles ist in scheinbarer Unwucht verschoben. Die Objekte sind mit kalkiger Haut ummantelt, die Glasuren von tiefen Krakele durchzogen.
Die Oberflächen zeigen sich schrundig, rissig und stumpf. Farbnasen laufen über verwischte Bemalungen, selten schimmern fragmentarische Ornamente durch. Kein Beiwerk, nichts Dekoratives – diese Keramik ist lebendig und fordernd. Das sind Anmaßungen, nicht nur räumlich, auch mit zeitlich einzuhaltenden Mindestabständen. Keramiken als mobile meditative Räume, Denkgefäße, Ideenbehältnisse, ausgestülpte Höhlen als Vorratsbehälter. Johannes Nagel zeigt den Missing Link, die Verbindung zwischen der gedrehten und der gebauten Keramik, eine freihändige Architektur. Die negative Sandburg ist die Höhle. Nagel gräbt in das Sediment statisch grenzwertige, nicht einsehbare Bauten, nur zu erfühlende Formen. Die greifende Hand vollzieht eine einfache Drehung, eine abgebrochene Rotation, nur ein Schwung, ein einmalig gezeichneter Bogen, kein Kreiseln, nur halbe und viertel Pirouetten. Die ausgegriffenen Höhlengänge werden formstabil ausgegossen. Die Bewegung des nachvollziehbaren Handgriffes wird in dem gebrannten Gefäß verständlich gespeichert. Der fluide Zustand findet in der erstarrten Bewegung die Balance.
Johannes Nagel „Sehnsucht nach Ekstase" Ausstellung im Taubenturm, Heimatverein Diessen, Vernissage am 18. Mai 2023 um 19 Uhr | 18. Mai, 10 bis 22 Uhr | 19. bis 21. Mai, 10 bis 18 Uhr
www.johannesnagel.eu
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