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aloys.news-Rubrik: Früher war alles schlechter – Aber es gab auch Ausnahmen: „Ruf doch mal an!" Teil 1. Von Alois Kramer

Statt zu telefonieren, müht sich der Mann in einem Boot ab, um seine Botschaft nach New York zu bringen. Archivfoto: aloys.news

Ammersee West - Es war nicht alles schlechter, was früher war. Das ist eine häufig gehörte Antwort auf die Behauptung: „Früher war alles schlechter". Aber es gibt natürlich auch die gegenteilige Behauptung: „Früher war alles besser". Oft geäußert, selten geglaubt. Die Äußerungen haben das Problem der Bestimmtheit: Was ist mit früher gemeint? Das Mittelalter, die Steinzeit, das 18. Jahrhundert? Was ist bedeutet „alles". Die ganze Menschheit? Das Universum? Kommen wir schließlich zum Begriff „besser". Hier haben wir das gleiche Problem. „Besser" in Bezug auf was? Wir sehen, solche Aussagen bringen einen einfach nicht weiter. Daher bescheiden wir uns in dieser Rubrik auf Einzelaspekte des „Früheren".

Erinnert sich noch zum Beispiel jemand daran, dass es nur einen Telefonanbieter gab? Schon allein das Wort „Telefonanbieter" war in Zeiten des Postmonopols gar nicht gebräuchlich. Niemand sprach von einem Anbieter für das Telefon. Das wäre so gewesen, als fragte einer, ob es beim Bäcker Fleisch und Wurst gäbe. Diese Verknüpfung der Begriffe „Angebot" und „Telefon" existierte nicht. Deutsche Bundespost und Telefon bildeten eine Einheit. Unerschütterlich wie die Mauer, von der die beiden deutschen Staaten getrennt wurden. Die Mauer fiel 1989 und das Telefonmonopol auch – ein Jahr später. Christian Schwarz-Schilling, der Doppelnamen-Postminister machte der Allianz den Garaus. Um sein Unternehmen attraktiv zu machen, kreierten schlaue Werbetexter den Slogan „Ruf doch mal an. Auf einer Broschüre war zu lesen: „Ein Überseegespräch ist gar nicht so teuer, wie manche Leute denken". Im Vordergrund sah man einen Mann in einem Boot auf die Stadt New York zu rudern. Er wusste offensichtlich noch nichts von den günstigen Tarifen der Post für Auslandsgespräche. So die Botschaft.

Die Aufhebung von Monopolen betraf die Macht des Staates im Innersten. Er musste sich richterlichen Urteilen beugen. Vielleicht ist das auch eine Folge der 68er Proteste. Diese Entscheidungen eröffneten wohl die Entwicklung des Privatfernsehen in der Bundesrepublik. Hugo Egon Balder versüßte den Abend der Bürger mit seiner „Tutti frutti"-Oben-ohne-Show und brachte so manche Ehe ins Wanken. Man sah ja nicht viel, aber diese Andeutungen genügten offensichtlich schon um phantastische Quoten zu erreichen. Das Geld der Werbekunden für die Privaten drückte zum Fenster herein. Alles schien möglich zu sein. Die Mauer war weg. Die DDR „eingemeindet".

Endlich durften Endgeräte im Kaufhaus erstanden werden und andere Bereiber als die Post, Telefonleitungen legen. Auch so ein Ausdruck wie „Endgerät" war damals völlig fremd. Die Post hieß auch nicht „Telekom" und musste sich auf dem Markt nicht mit anderen Anbietern um die Kunden streiten. Diese konnten sich wiederum nicht auf Vergleichsportalen – wieder so ein neues Wort – über die günstigsten Monatspreise informieren. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sprach immer von der „Grauen Post" und der „Gelben Post". Es klang für Ohren, die Farbzuordnungen nicht verstanden, wie eine Geheimsprache. Franz von Taxis, der Begründer des Postwesens im 15. Jahrhundert wählte für seinen Kurierdienst zwischen Innsbruck und Brüssel die Farben Schwarz und Gelb. Also ein Relikt aus aristokratischen Seiten, als die Vorfahren von Fürstins Glorias Mann, Johannes, dieses Beförderungs-Monopol hatten und damit immens reich wurden: Das Recht zur alleinigen Briefbeförderung. Stoibers Bezeichnung hörte sich irgendwie an, wie „Der Spion, der aus der Kälte kam", dem genialen Film mit den großartigen Schauspielern Richard Burton und Oskar Werner. Wer kennt den noch?

Grau war die Farbe des Wählscheibentelefons. Dieses hatte das furchtbar angsteinflößende schwarze Monster mit der Riesengabel abgelöst. In eleganten, vornehmen Haushalten stand natürlich die weiß-cremefarbene Variante dieses Apparates. Manchmal ist das schwarze Ungetüm noch in Theaterstücken oder in alten österreichischen Schwarz-Weiß-Filmen zu sehen, wenn Hans Moser als Bediensteter oder Paul Hörbiger um ihre Portiersloge herumschwirren.

Helles Mausgrau, der Hörer dezent in der Muschel mit einem weißen Rand versehen, so sah das Nachfolgermodell bis in die 70er Jahre hinein aus. Danach gab es ein tannengrünes mit Wählscheibe und bald auch mit Tastatur. Allein die Farbenorgie seit den Siebziger Jahren wäre eine eigene Untersuchung wert.

Gelb ist ist Briefpost heute noch. Doch sie ist nicht mehr alleine auf dem Markt. Sie bekam Mitbewerber, Konkurrenten oder wie manche Manager vornehm sagen, „Marktbegleiter". Ein Zug unserer Zeit ist, Dinge zu verharmlosen. Aus Altenheimen wurden „Seniorenresidenzen", aus Kriegstreibern „Bellizisten", aus armen Leuten wurden „Menschen, die in prekären Verhältnissen leben". Das hört sich weniger schlimm an. 

Wird fortgesetzt

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