München – Die Pläne des Bundeswirtschaftsministers, einen Industriestrompreis einzuführen, sind industriepolitisch notwendig geworden. Das Vorhaben ist aber zugleich auch ein ordnungs- und energiepolitischer Offenbarungseid der Bundesregierung. Sie verheddert sich zusehends in einen ausufernden Staatsinterventionismus, der Deutschland lähmt.

Der Industriestrompreis ist notwendig geworden, weil die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie bereits seit Jahren u.a. an Strompreisen leidet, die weltweit zu den höchsten gehören. Infolge der Verwerfungen des Ukrainekrieges hat sich dieser Druck noch einmal dramatisch verschärft. Das ist mit ursächlich für eine schleichende Deindustrialisierung Deutschlands. Seit 2019 sinkt die Industrieproduktion um 1,9 Prozent p.a. und liegt nur noch auf dem Niveau von 2007. Dabei hat die Industrie mit einem Viertel der Wertschöpfung in kaum einem anderen Land so viel Gewicht wie bei uns. Von ihr kommen die meisten und wichtigsten Innovationen. Sie ist unser Brückenkopf auf den Weltmärkten. Weil wir diesen Trumpf nicht leichtfertig verspielen dürfen, ist der Industriestrompreis in dieser Lage richtig, auch wenn noch einige Fragen offen sind, Abgrenzungsfragen noch zu klären sind und die Ausgestaltung noch nachgebessert werden muss. Es geht um unsere wirtschaftliche Basis.

Aber welche Perspektive bietet die Bundesregierung den Unternehmen in Mittelstand und Handwerk? Sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und sorgen für Stabilität, aber hohe Kosten und Bürokratie nehmen ihnen die Luft. Sie sind nicht weniger stark auf niedrige Energiepreise angewiesen. Und was ist mit den Verbrauchern, deren Kaufkraft mit der Inflation dahinschmilzt? Deutschland braucht auf ganzer Breite tragbare Energiepreise.

Der neuerliche staatliche Eingriff der Bundesregierung zeigt: Die Wirtschaftspolitik läuft mehr und mehr aus dem Ruder, von Ordnungspolitik keine Spur. Erst verfolgt man eine Energiepolitik ohne Rücksicht auf Knappheiten, ohne Erwägung aller technologischen Möglichkeiten wie auch deren Grenzen und ohne Beachtung von Marktzusammenhängen. Weil das die Kosten treibt, will man dann über Preisbremsen, Preisdeckel und Entlastungspakete ausufernde Kosten wieder heruntersubventionieren.

Der Industriestrompreis macht Strom nicht billiger und bringt keine einzige Kilowattstunde mehr auf den Markt. Dasselbe gilt für Strom- und Gaspreisbremsen und weitere Entlastungspakete. Auch das fragwürdige Verbot von Öl- und Gasheizungen wird für die Gesellschaft nicht dadurch billiger, dass man Betroffenen hohe Subventionen zahlt. Es wird jeweils nur anderen die Rechnung zugestellt. Das Kalkül „alle subventionieren alle" kann aber nicht aufgehen. Den Entlastungen an einer Stelle stehen höhere Steuern, Abgaben und Schulden an anderer Stelle gegenüber. Intransparenz, Ineffizienz und Ungerechtigkeit sind die Folgen. In der Summe gewinnt keiner, alle verlieren.
Deutschland braucht eine grundlegende Kehrtwende des wirtschaftspolitischen Kurses zurück zur Sozialen Marktwirtschaft. Der Staat soll und muss die klimapolitischen Ziele setzen und einen Ordnungsrahmen vorgeben und er muss für eine leistungsfähige Infrastruktur sorgen. Wenn er aber meint, Technologien vorgeben und Preise festlegen zu müssen, maßt er sich ein Wissen an, das er nicht hat. Er soll die Freiheit und Kreativität von Unternehmen, Arbeitnehmern und Verbrauchern auf dem Markt nicht einschränken. In der Energiepolitik haben wir mit dem Emissionshandel einen effizienten Marktrahmen. Politik muss für leistungsfähige Energienetze sorgen, aber Unternehmen und Verbrauchern die Technologien nicht vorschreiben. Statt auf Rationierung muss er Anreize setzen, das Energieangebot auszuweiten und z. B. eine Verlängerung der Laufzeiten von Kernenergie und heimischer Gasförderung zulassen. Wenn der Staat die Wirtschaft in der ganzen Breite entlasten will, hat er eine Reihe von Ansätzen: Mehr Energieangebot zulassen, Verzicht auf Technologievorgaben, Senkung der Strom- und Energiesteuern, Senkung der Unternehmenssteuern auf 25 Prozent, bessere Abschreibungsbedingungen etc. Das ist der Weg zu mehr Wachstum, von dem am Ende alle profitieren. Staatliche Umverteilung ist ein Nullsummenspiel. Soziale Marktwirtschaft mit Freiheit für Unternehmer, Arbeitnehmer und Verbraucher ist ein Win-Win-Geschäft für alle und der beste Garant für ökonomische wie klimapolitische Nachhaltigkeit!

München, den 8. Mai 2023
Dr. Hans Schachtner Generalsekretär 
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