Folge 64

In Detroit bekam ich den Schock meines Lebens. Ich dachte, mich in einem technisch weit entwickelten Land zu befinden: Hier bediente man die Hafenkräne noch mit einer Handkurbel. Ich glaubte, ich sitze im falschen Film! - Die echte Wirklichkeit erlebte ich im amerikanischen Fernsehen, im Chicago Television News: Wir unterquerten gerade die neue Macinac-Bridge, die den Norden der Halbinsel Michigan mit dem Knotenpunkt Lake Michigan/Lake Superior/Lake Huron, also dem gegenüber liegenden Ufer Michigans, verbindet. Genau zu dem Zeitpunkt fand die offizielle Eröffnung der Brücke statt und wir sahen unser Schiff im Fernsehen gerade von oben hinunter die Brücke passieren!

Der Endpunkt der Reise war Chicago, das ich mit einem Vorortszug von Calumet City erreichte. In Calumet City steht ein „Iron Curtain", ein „Eiserner Vorhang". Jede Bahngesellschaft benutzt aus Konkurrenzgründen sein eigenes Gleis, hat deshalb auch seine eigene (Hebe-) Brücke und aus dem Grund stehen vier Eisenbahnbrücken neben einander. Wer's nicht glaubt, es ist alles dokumentiert.

Gelangweilt schlenderte ich durch die Skylines. Wenn ich gewusst hätte, welch interessante Museen es dort gab! Nun ist es zu spät und keiner hat den Mund aufgemacht. Ich wunderte mich zwar, wie ein amerikanisches U-Boot es dort bis an die Pier geschafft hat. Das blieb ein Geheimnis, das ich nicht lüften konnte. Einen Bankraub à la Al Capone habe ich in Chicago leider auch nicht erlebt, der sollte erst etwas später in Cleveland stattfinden. Faszinierend, wenn einem die Kugeln um die Ohren pfeifen! Ich habe gedacht, ich sitze diesmal in einem richtigen Film! Man hat schon öfter auf mich geschossen, aber immer daneben, ich bin da schon langsam abgebrüht. Wenn's zu oft passiert, macht's auch keinen Spaß mehr.

Von Milwaukee erinnere ich mich nur an die Unmengen Bier, die da an Bord kamen. Vier Jahre zuvor war unser Schwesterschiff „Prins Willem V" kurz hinter der Hafenausfahrt nach einem Zusammenstoß mit einem Schleppverband gesunken, als sie nachts über das lange Schleppseil des unbeleuchteten Schleppschiffes fuhr. Letzteres rammte die PWV und riss an zwei Stellen großflächig die Bordwand auf. Die PWV sank innerhalb von Minuten ohne Verlust von Menschenleben. Und da liegt sie heute noch. Bergungsversuche wurden zwar unternommen, aber nie verwirklicht. Die Sporttaucher sollten auch ihren Spaß haben.

Wir hätten uns beinahe selbst versenkt, als wir Trinkwasser aus dem Michigansee aufnahmen. Es gibt dort eine Stelle, an der eine saubere Süßwasserquelle nach oben kommt und die jedes Schiff kennt. Man braucht bloß das entsprechende Ventil aufzudrehen und das kostbare Nass in die Trinkwassertanks 'reinlaufen zu lassen. Man musste das Ventil nur rechtzeitig wieder zudrehen.

Fortsetzung folgt