Im Herbst 1991 hat mir Gott die Hand geschüttelt und „Hello, how are you" gewispert, ehe er wieder an den Platz entschwand, an den er gehört: auf die Bühne. Nichts weiter. Nichts Besonderes also.
Übrigens ist Gott lediglich 1,60 Meter groß, war damals 33 Jahre alt, Afroamerikaner, mit Wespentaille gesegnet und – wider alle Legenden – mit schlechtem Bartwuchs ausgestattet. Tja, und Gott hat einen schlappen Händedruck und ist überhaupt nicht gesprächig. Aber das wiederum liegt daran, dass er mit der nüchternen Realität auf Erden längst nichts mehr am Hut hat. Seit dem 21. April 2016 eh nicht mehr, denn seitdem ist Gott endgültig in eine andere „göttliche" Dimension verschwunden. Trotzdem konnte ich mich damals, zu seinen Lebzeiten, des Eindrucks nicht erwehren, dass Gott in einer schweren Krise steckte.
Gott – das ist Prince. Zumindest nannte er sich in jener Zeit noch so. Denn Gott, das ist bekannt, hat viele Namen. Gott ist ein merkwürdiger, winziger Mann aus einem Ein-Millionen-Kaff namens Minneapolis im Norden der Vereinigten Staaten von Amerika. Gleichzeitig ist er, was sonst, ein Genie, das häufig als der „Mozart der Black Music" bezeichnet wurde.
Gott alias Prince hat eine ganze Menge für die Weiterentwicklung und dadurch Anerkennung der schwarzen Kultur in Amerika getan. Denn er war, zumindest in den 70er- und 80er-Jahren, seinen Konkurrenten immer um eine gewaltige Nasenlänge voraus, was neue Trends anging. Er war der farbige Rock 'n' Roller, den man ernst nahm, den Schwarze wie Weiße abgöttisch verehrten.
Das lag zum einen an der radikal eigenständigen Musik, die er zwar sehr wohl von überallher (Beatles, Sly & The Family Stone, James Brown, Joni Mitchell) zusammenklaute – aber die Quintessenz des Ganzen war stets unverkennbar Prince. Zum anderen lag das an der
Tatsache, dass Prince textlich wie durch sein Auftreten, wie durch die Art seiner Songs vor allem seine prüden Landsleute schockierte. In der Arbeit des Prinzen ging es um nichts anderes als um Sex, Sex, Sex – ein Dolchstoß für das puritanische Amerika.
Denn das zarte Kerlchen gab sich eben partout nicht damit zufrieden, „Unzüchtigkeiten" lediglich eindeutig beim Namen zu nennen, nein: Es beschäftigte sich darüber hinaus auch noch mit Tabuthemen. Prince hatte – zumindest auf seinen frühen Alben – schwelgerisch die Freuden der Unzucht besungen, er frönte leidenschaftlich dem Oralverkehr, pries hingebungsvoll Sadomasochismus und liebäugelte verdammt gerne mit Transsexualität.
Allesamt Themen, die dem Normalbürger (nicht nur in Ami-Land!) den Angstschweiß auf die Stirn jagen. „Verrohung der Jugend, Sodom und Gomorrha", denkt der Spießer, der Sex ausschließlich mit der Missionarsstellung gleichsetzt.
Morgen geht's weiter mit Prince
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