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Interview mit Michael Kießling – Mitglied des Bundestages seit 2017 – über das Leben in Berlin, die Kanzlerin, Fußball und die Kollegen.

MdB Michael Kießling im Zoom-Meeting mit aloys.news Foto: aloys.news

Dießen/Landsberg – Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen gibt Michael Kießling noch ein Interview. Der Kreisvorsitzende der Landkreis-CSU und Diplom-Bauingenieur gewann 2017 das Direktmandat des Wahlkreises Starnberg-Landsberg-Germering für den Deutschen Bundestag. Dort erwartete den gebürtigen Schweizer, Jahrgang 1973, in der ersten Sitzungswoche ab Montag, 3. Januar, zunächst einmal die Klausur der Landesgruppe seiner Partei. Michael Kießling sitzt am Schreibtisch seines Büros im Zentrum von Landsberg. Das Gespräch für aloys.news führte Alois Kramer online über „Zoom".

aloys.news: Wie ist denn im Moment die Stimmung im Bundestag?

Michael Kießling: Die Stimmung war bis vor kurzem noch eher angespannt. Das hing mit der Diskussion über den Haushalt zusammen. Die Corona-Hilfen werden ab 2026 innerhalb von 17 Jahren zurückgezahlt. Das hatten wir mit der SPD verhandelt.

Wir sind aber gegen Steuererhöhungen und für eine starke Wirtschaft - der Koalitionspartner möchte sich jedoch diese Ausgaben über die Steuern holen. Das ist bedenklich, wenn man überlegt, den Lockdown fortzusetzen und somit weitere Fördermaßnahmen notwendig werden.

Ein weiterer Moment, der die Stimmung im politischen Berlin beschreibt, war der Besuch des UN-Genralsekretärs Guterres im Bundestag. Er hielt eine großartige Rede auf Deutsch vor dem Plenum. Als er endete, standen alle auf um zu klatschen, nur die AfD blieb demonstrativ sitzen. Man muss ja nicht immer einer Meinung sein, aber einen gewissen Respekt vor diesem Mann hätte ich schon erwartet.

Auch ein sehr schwieriges Thema für den Bundestag war die Diskussion über die Impfstrategie. Beispielsweise wurde über die einzelnen Berufsgruppen debattiert, die darin zu berücksichtigen sind. Da tauchte dann die Frage auf, ob Politiker wegen ihrer Vorbildfunktion als erste geimpft werden sollten. Das könnte wiederum bedeuten, dass diese Gruppe privilegiert sei. Wenn sie aber nicht sofort geimpft werden, dann kann es genauso andersherum ausgelegt werden. Als würden die Politiker erst mal abwarten. Sie sehen, es ist alles wirklich nicht einfach.


aloys.news: Wie fühlt sich ein Landsberger im Bundestag?

Michael Kießling: Gut. Es klappt mit den Kollegen der eigenen Partei sehr gut und auch mit denen von der SPD. Auch mit Abgeordneten anderer Parteien habe ich Kontakt, vornehmlich über die Ausschüsse, in denen ich bin, aber auch über den FC-Bundestag, unsere Fußballmannschaft. Da habe ich die Position des Verteidigers. Wir spielen mit der Linken zusammen. Es macht Spaß.

Mit der AfD habe ich dagegen sehr wenig Kontakt. Den Abgeordneten der AfD aus Dießen habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Und wenn, dann grüßt man sich. Das war's aber schon. Generell nimmt sich die AfD sehr zurück. Die wollen gar nicht so viel Kontakt haben.

Betrachtet man die Zahl von über 700 Mitglieder im Deutschen Bundestag, so glauben viele, dass man durchaus untertauchen kann – das Gegenteil ist der Fall. Man hat seine Arbeitsbereiche und in denen ist man verantwortlich für Themen. Man betreut Gesetzesvorhaben und versucht durch Anträge einzelne Punkte voranzutreiben. Ich bin zum Beispiel im Bauausschuss und im Umweltausschuss. Hier kommt man mit den Kollegen gut zusammen. Des Weiteren gehöre ich dem Untersuchungsausschuss „Maut" an.

Grundsätzlich muss man bei Politikern die politische Einstellung und das Menschliche unterscheiden. Wenn man sich menschlich versteht, dann läuft die politische Arbeit normalerweise besser.


aloys.news: Sie haben erfolgreich Anträge in Ausschüssen gestellt?

Michael Kießling: Erst im vergangenen Jahr haben wir den Antrag „Digitalisierung des Planens und Bauens" erfolgreich durch das Plenum gebracht. Als zuständiger Berichterstatter habe ich den Antrag mitinitiiert und formuliert. Dazu werden dann Gespräche mit dem Koalitionspartner geführt, die einzelnen Punkte debattiert und Kompromisse gefunden, bevor er dann im Plenum drei Lesungen passiert. Auf diese Legislaturperiode bezogen waren es schon mehrere Anträge sowie Gesetze, die ich mitverantworten durfte.


aloys.news: Wie wohnt es sich in Berlin?

Michael Kießling: In Berlin habe ich eine Ein-Zimmer-Wohnung in der Chaussee-Straße, um die Ecke beim Bundesnachrichtendienst. Ein Kollege hat sie mir überlassen. Der ist innerhalb Berlins umgezogen. Wenn ich zu Fuß gehe, brauche ich 20 Minuten bis zum Bundestag. Mit dem Auto oder Fahrrad sind's fünf bis zehn Minuten.


aloys.news: Wie ist denn das Leben in Berlin?

Michael Kießling: Am Montag ist Anreise. Am Nachmittag findet die Arbeitskreissitzung innerhalb der CSU statt. Abends dann die Landesgruppensitzung. Beginn um 19 Uhr, Ende gegen 22 Uhr oder 22.30 Uhr. Dienstag in der Früh ist kommunalpolitischer Arbeitskreis der CDU/CSU-Fraktion. Dann folgen die Sitzungen der Arbeitsgemeinschaften der Fraktion, in denen man nach Ausschuss-Mitgliedschaft zugeordnet wird - in meinem Fall die AG Bau und die AG Umwelt. Anschließend ist Fraktionssitzung, abends spielen wir Fußball. Mittwoch beginnen die Ausschusssitzungen, dann Regierungsbefragung. Donnerstag und Freitag gibt's Plenarsitzungen. Selbstverständlich ist die Wochen gefüllt mit Abendterminen. Da haben wir zum Beispiel die Elektromobilität verhandelt. Freitag ist Abreisetag in die Wahlkreise. Ich mache ja Politik am Wochenende. Bin Kreisvorsitzender der Landsberger Landkreis-CSU und bei den Ortsverbänden präsent, wenn nicht Corona ist. Gerne mache ich ein bisschen Sport, fahr mit dem Fahrrad, gehe Bergsteigen.


aloys.news: Wie erleben Sie die Kanzlerin?

Michael Kießling: Unsere Bundeskanzlerin, Frau Merkel, fasziniert mich. Sie ist sehr intelligent. Sie weiß wahnsinnig viel und hat bei all ihrer Belastung dennoch einen recht trockenen Humor. Zudem ist Sie bei jeder Fraktionssitzung dabei. Ich habe nur einmal erlebt, dass sie verhindert war.


aloys.news: Im Moment befindet sich die CDU in der Frage nach dem Kanzlerkandidat. Wer ist für Sie der bessere, Merz, Laschet oder Röttgen?

Michael Kießling: Da muss sich die CDU einig werden. Es ist schwierig, sich da einzumischen. Ich muss gestehen, ich war ein großer Merz-Fan. Ich würde mich freuen, wenn er Parteivorsitzender würde. Ich weiß allerdings nicht, ob er von der Mehrheit der Deutschen angenommen wird. Röttgen kenne ich gut, wir waren öfters Kaffee trinken. Er ist ein brillanter Außenpolitiker. Er macht momentan einen guten Job.


aloys.news: Wie ist die Stimmung bezüglich Donald Trump?

Michael Kießling: Wir hoffen, dass der Umgang nach Trump ein anderer wird. Biden wird in großen Teilen die Politik von Trump weiterführen. Für Europa ist das ein Signal, dass wir zwar die USA als Freund haben, aber dass wir selbstständig agieren müssen. Wir sollten in Europa enger zusammenrücken. Dazu gehört aber auch, dass wir mit Russland zusammenarbeiten sollten. Die gehören schließlich auch zu Europa.


aloys.news: Wo findet Europa zwischen Russland, China und USA seine Rolle?

Michael Kießling: Das ist eine wichtige Frage, die betrifft die wirtschaftliche Seite aber auch die Digitale. Zunächst müssen wir uns unabhängiger machen. Dafür müssen in Europa ungesunde Nationalismen reduziert werden. Generell sollten wir mehr auf die Gemeinschaft achten und nicht auf den eigenen Profit.


aloys.news: Ihre Haltung zum Brexit?

Michael Kießling: Ich bedaure diese Entscheidung sehr. Wir Parlamentarier haben damals nach der Abstimmung für den Brexit eine Reise nach Irland unternommen und uns mit den Landespolitikern getroffen und diskutiert. Für alle ist ein gewaltiger Einschnitt. Er trifft den Warenverkehr und die Pendler sehr hart.


aloys.news: Gibt es konkrete Projekte die Sie für den Landkreis Landsberg realisieren möchten?

Michael Kießling: In erster Linie geht es darum den Wirtschaftsstandort Landsberg zu stärken. Dann haben wir hier Autozulieferer, da muss man schauen, wie wir die in Zeiten von Corona begleiten können. Was natürlich in unserem Landkreis Landsberg besonders relevant wird, ist der Flughafen Penzing. Wir sind in dieser Sache in Kontakt mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und selbstverständlich mit den bayerischen Ministerien. Planungshoheit hat die Gemeinde Penzing. Zusätzlich müssen wir die Interessen des Landkreises und der Stadt Landsberg unter einen Hut bringen, dass diese ebenfalls in dem Projekt involviert sind.


aloys.news: Noch ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Michael Kießling: Der 6-spurige Ausbau der A 96 ist für die Pendler nach München wichtig. Es zählt aber nicht nur die Straße, sondern die gesamte Infrastruktur. Wir müssen deshalb schauen, wie wir den MVV näher an Landsberg heranbringen können. Darüber diskutieren wir auch auf Landkreisebene. Pendeln wird auch künftig ein wichtiges Thema bleiben und deshalb brauchen wir eben mehr Kapazitäten auf der Schiene.


aloys.news: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Bahnstrecke Landsberg-Schongau?

Michael Kießling: Was den Schwerlastverkehr betrifft, kann hier noch mehr getan werden. Allerdings glaube ich nicht, dass wir beim Personenverkehr wirtschaftliche Zahlen haben würden. Man müsste neue Bahnhöfe bauen, die Bahnstrecke muss weiter mit Bahnübergängen abgesichert werden, man muss in Landsberg die Verkehrsanbindung schaffen. Daraus resultiert der Gedanke, ob das nicht effektiver gemacht werden kann, zum Beispiel über Elektro-, Erdgas- oder Wasserstoffbusse. Die könnten die Leute direkt im Ort abholen. Da müsste keiner zum Bahnhof fahren. 

Schwerlastverkehr auf die Schiene zu bringen ist unproblematisch. Ob da ein Zug mal ein paar Minuten Verspätung hat, spielt keine Rolle. Beim Personenverkehr muss jedoch eine genaue Taktung vorliegen. Das ist ja hoch automatisiert.

Sicherlich klingt der Gedanke nach einer Bahnlinie verlockend. Ob es aber einen Ringschluss von Weilheim über Schongau und Landsberg nach Augsburg irgendwann geben könnte, daran zweifle ich.


aloys.news: Herr Kießling, ich bedanke mich für das Gespräch. 

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