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7 Minuten Lesezeit (1394 Worte)

Studienreise in's Heilige Land. Ein sehr persönlicher Bericht vom 91-jährigen Dießener Ernst Rudolf Hofmann. 3. Tag, 4. Mai 2019, Samstag

Fischer am See Genezareth. Alles Fotos: Ernst Rudolf Hofmann
Rundreise um den See Genezareth ab Hotel in Tiberias. Wir besuchten zunächst Tabgha mit der „Brotvermehrungskirche". Dort, wo die Kirche jetzt steht, hielt Jesus eine Rede lt. NT vor 5000 männlichen (?) Zuhörern, wobei das Volk gehungert hätte, wäre da nicht ein Mädchen gewesen (Frauen sind eben doch schlauer!) mit einen Korb, in dem sie zwei Fische und fünf Brote mit sich herumschleppte. Alle Menschen (also mehr als die besagten 5000!, denn es waren ja auch sicher Frauen und Kinder dabei, aber die Kirche ist halt nach wie vor patriarchalisch) wurden gespeist und es blieben noch viele Körbe mit Brot übrig. Die ursprüngliche Kirche wurde von den arabischen Invasoren zerstört (Mamelukken, wenn ich mich noch recht erinnere, die auch an anderen christlichen Bauwerken, vorallem in Jerusalem, viel Unheil anrichteten). Unter dem Schutt fand man bei Wiederaufbauarbeiten der Kirche eine Ansicht der ursprünglichen Kirche, nach dessen Plan die heutige Kirche wieder aufgebaut wurde sowie den ursprünglichen Mosaik-Fußboden mit herrlichen Motiven aus der damaligen Zeit, die der Zerstörung entgingen, unter anderem vor dem damaligen Altar ein Mosaik mit zwei Fischen und einem Brotkorb. Den neuen Altar baute man über den Felsen, auf den die Speisen gelegt worden waren. Unvorstellbar, dass man an einem Ort steht, an dem dieses Wunder stattgefunden hat … Mit den archäologischen Ausgrabungen ist man noch lange nicht fertig und man erwartet noch viele Überraschungen.

So geht es einem auch, wenn man an der „Kirche der Seligpreisung" steht ( in Tabgha, an dessen Berg Jesus ebenfalls gepredigt („Bergpredigt") hat mit den bekannten Worten „Selig sind die, die …" (nach Matt. 5). An der Pforte saß eine geschäftstüchtige Nonne, die fleißig Postkarten zu 1 Euro pro Stück mit diesem Text unter die Leute brachte. - Man steht an einem heiligen Ort, nur vorstellen kann man es sich nicht mehr. Statt eines mit Steinen übersäten kahlen Berghanges findet man heute an solchen Stellen kultivierte Gärten, plätschernde Springbrunnen, asphaltierte Wege und moderne Kirchen und Kapellen, die jegliche Andacht an den örtlichen Anlass vermissen lassen und mittlerweile die damaligen Orte überdeckt haben. Man weiß, dass vom ursprünglichen Gelände kein Stein mehr auf dem anderen steht, nachdem dort so viele Bagger und Kräne am Werk waren. Trotzdem unvorstellbar, wenn man bedenkt, dass hier an diesem Ort Jesus gewirkt hat und man wirklich in seinen Fußstapfen läuft… Ich war schon immer sehr gläubig, noch mehr als damals, als ich noch in der Kirche war. Seit meinem Besuch an die heiligen Stätten habe ich eine ganz andere Beziehung zu und Sicht auf Jesus, sie ist noch inniger und, ich würde fast sagen: intimer geworden als vorher. Ich habe das Gefühl, Jesus ist bei mir, er steht unmittelbar neben mir und wenn ich daran denke, wird es mir richtig warm, nicht nur ums Herz, sondern am ganzen Körper, er wird körperlich warm. Es ist ein neues, wunderbares Gefühl, das ich früher nicht kannte. Das allein ist schon das große Wunder dieser Reise. Ich erlebe Jesus heute mit ganz anderen Augen.

Kapharnaum (oder Kapernaum, wie man den Ort heute schimpft), das unmittelbar daneben liegt, ist oder war der Wohnort des Apostels Petrus, dem Fischer, dem Felsen, auf dem Jesus seine Kirche baute. Das Haus von Petrus ist heute soweit ausgegraben, dass man die Fundamente mit einem Schutzdach überbaut hat und man die einzelnen Räume gut erkennen kann. Sonst ist da noch die antike Synagoge zu sehen, in dessen Vorgängerbau Jesus gelehrt hat. Sehr gut erhalten mit Patio, Rundum-Sitzreihen (was heute lt. unserem Reiseleiter eher ungebräuchlich ist) und Säulenreihen, deren Kapitele man von römischen Bauwerken aus der Umgebung gemopst hat und somit alle unterschiedlich sind. In einem der wenigen kurzen Moment der Ruhe konnte man sich verinnerlichen, wie Jesus an diesem Ort gelehrt hat.

Der nächste Besichtigungsort in Kapharnaum war der See selbst. Ich bin lange genug zur See gefahren, um eine Schifflefahrt nicht mehr unbedingt mitmachen zu müssen. Und so streckte ich meine müden Knochen auf einem körpergerechten Felsblock aus, bis die Gruppe wieder da war. Der arme Petrus hätte heute mit den Behörden ein ernsthaftes Problem, denn auf dem Bootssteg war ein großes Schild: „Fishing prohibited". Womit hätte der arme Kerl heute sein Brot verdient? Nou ja, vielleicht wäre er stattdessen IT-Spezialist geworden… So einen hätte Jesus gut brauchen können.

In Kapharnaum ließ ich mir einige Fläschchen Wasser aus dem See Genezareth einlaufen als Mitbringsel an Freunde daheim. Auch kaufte ich im dortigen Shop einige Postkarten für meine Lieben, die ich aber, zwar beschrieben, wieder nach München mitbrachte, weil weder Briefmarken zu haben waren (oder nur zum doppelten Preis von 4 Euro), noch während der ganzen Reise ein Briefkasten in Sicht war, sonst hätte ich sie dort sogar unfrankiert eingeworfen. Nach mir die Sintflut…

Der See Genezareth war die Hauptwirkungsstätte von Petrus, der von Jesus dort zum „Menschenfischer" gemacht wurde. Dort, mitten auf dem See, war es auch, als das Boot des Petrus mitsamt seinen Kollegen infolge eines heftigen Sturms zu sinken drohte und Jesus in seinem Boot schlief. Jesus wurde geweckt und beruhigte den Sturm.

Ein ander Mal wollte Petrus Jesus entgegeneilen, als dieser sich über das Wasser dem Boot näherte. Jesus forderte Petrus auf, ihm entgegenzukommen, was auch gelang, bis plötzlich Zweifel über seine eigene Fähigkeit aufkeimte und Petrus im Wasser versank und zu ertrinken glaubte. Jesus rettete ihn und rügte ihn wegen seiner Kleingläubigkeit.

Über Kapharnaum wird im NT viel über das Wirken Jesu' berichtet und man sollte sich, bevor man einmal eine Heilige-Land-Reise macht, schlau machen über alles, was dort (und nicht nur dort, sondern insbesondere Jerusalem) passiert ist, dann hat man fundiertes Wissen und kann man die Defizite des aktuellen Besuches ausbügeln!

Der Bus brachte uns anschließend auf die ehemals syrischen Golanhöhen, von wo aus man das israelische Westufer im Blick hatte, das während des damaligen Krieges von diesen Höhen aus beschossen wurde. Eine der damaligen Stellungen haben wir besucht und es war schon makaber, was die Syrer damals angestellt haben, wenn man die friedliche Stadt Tiberias so gegenüber sieht und der Tod von hier rübergeschickt wurde. Bevor die Syrer sich zurückzogen, wurde das gesamte Kampfgebiet vermint und es verursacht heute noch Tod und Verstümmelung, vor allem bei Kindern und Schafhirten, die sich nicht um den Stacheldraht und die Warnschilder kümmern.
Als letztes an diesem Tag besuchten wir einen Kibuzz, gegründet im Jahr 1924. Das System, das ein Kibuzz verfolgt, führt zu manchen abstrusen Ideen, was zu vielen Reibereien innerhalb der Gemeinschaft führt. Ursprünglich war die Idee, einen Kibuzz völlig ohne Geld und vor allem ohne Gottesbezug (welcher auch heute noch vehement abgelehnt wird!) zu betreiben, womit durchaus eine kommunistische Linie mit allen Folgen gefahren wird. Die Beantwortung meiner Zwischenfrage dahingehend, wie gerade ein jüdischer Kibuzz so ohne Gott leben könne, wurde brüsk vom Kibuzz-Leiter auf „Nachher" verschoben. Zu meiner Schande: Ich vergaß, nachzuhaken… Macht nix, ich fahr' ja nochmal hin, und dann kann er sich auf was gefasst machen. - Weiter sektierte eine sozialistische und im Endeffekt eine kapitalistische Strömung, denn die Jugend der zweiten und dritten Generation wollte es nicht mehr hinnehmen, so völlig ohne Geld dazustehen. Inzwischen wurde das Besitztum eingeführt und manche verdienen schon mächtige Gehälter, was bei den armen Idealisten, die dessen Studien in Amerika finanziert hatten, mit Argusaugen gesehen wird. Also, ehrlich gesagt, die Idee eines Kibuzz, die anfänglich auch in Europa so Furore machte, sagt mir in keiner Weise zu. – Die Arbeitslust im Kibuzz scheint auch zu wünschen übrig zu lassen, wenn man sich die Ordnung und die Sauberkeit an Ort und Stelle anschaut. Farblose Häuser, die mal wieder eine Auffrischung verdienen, die Berge von Laub, für deren Beseitigung anscheinend keiner zuständig ist. Nein danke! Ich war froh, diesen bedrückenden Ort nach der Frage des Kibuzzleiters: Würden Sie nicht gern in einem Kibuzz wohnen? wieder verlassen zu können. War trotzdem aufschlussreich!

Da unser Reiseführer wusste, dass ich mich für die Taufstelle von Jesus im Jordan interessierte, fuhren wir noch extra dorthin, zum Ausfluss des Sees Genezareth, aber bei näherer Betrachtung kommen mir Zweifel, ob es tatsächlich die richtige Jesus-Taufstelle von Johannes dem Täufer war, denn diese liegt meines Erachtens weiter südlich am Eingang zum Toten Meer. Aber auf die komme ich gleich zurück. 

Der See Genezareth von den Golanhöhen aus.
Die Kirche der Seligpreisung in Tabgha.

Ort (Karte)

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