Ammersee – Wer über die gegenwärtigen Temperaturen jammert, der sollte im Winter mal nach Jakutsk fahren. Die Zehn Grad Minus, die wir zur Zeit hier in der Region haben, sind für Russen in der sibirischen Stadt im Osten der Sowjetunion eher gemütlich. Die Großstadt mit knapp 300.000 Einwohner in der Teilrepublik Jakutien gehört zu den kältesten besiedelten Orten auf der Welt. Der Januar ist saukalt und hat eine durchschnittliche Temperatur von minus 43,2 °C. Sommers klettert das Thermometer schon mal auf 30 Grad plus. Also ein Temperaturunterschied von rund 70 Grad. Im 700 Kilometer entfernten Oimjakon liegt die mittlere Temperatur zur Winterszeit noch sieben Grad darunter. Im Februar 1933 wurde in dem 500-Seelen-Dorf ein Kälterekord von minus 67,8 Grad Celsius gemessen. "Oimjakon" heißt ironischerweise "warme Quelle", weil sich an den dort befindlichen Thermalquellen Rentiere im Frühjahr mit Wasser versorgen. Doch wie ist das Leben bei minus 50 Grad in den acht Wintermonaten? Alles ein bisschen anders als bei uns. Mit Brille in's Freie gehen, wird nicht angeraten, denn der Brillenrand gefriert am Gesicht fest. Die Autos stehen in Garagen, die beheizt sind. Grundsätzlich wird der Motor bei einem Halt nicht abgestellt. Der Wagen würde nicht wieder anspringen. Bequeme Toiletten, die in der Wohnung stehen, kennen die Leute nicht. Wer muss, muss nach draußen verschwinden. Abflussrohre können wegen des gefrorenen Bodens nicht verlegt werden. Stirbt ein Mensch, muss zuerst der Boden mit einem Lagerfeuer erwärmt werden, damit die Leiche vergraben werden kann. Um sich zu waschen, wird ein Block Wasser aufgetaut. Schneefrei bekommen Schulkinder erst ab minus 52 Grad. Bei 40 Grad Minustemperaturen machen sich die Kinder auf den Schulweg. Eingepackt in sechs Lagen. Milch gibt es nur im Block. Die gewünschte Menge wird von der Verkäuferin abgeschnitten. Landwirtschaft gibt es in dieser Region nicht. Die Menschen ernähren sich daher hauptsächlich von Fleisch in Brühe. Weißer Lachs, Weißfische und gefrorene Pferdeleber gelten als besondere Delikatessen. Die Erwachsenen haben in dieser Eiseskälte ein besonderes Heilmittel: Russischer Tee, „Russki Chai". So nennt man in Oimjakon Wodka.
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