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9 Minuten Lesezeit (1784 Worte)

"Ernesto, der Seebär – Vom Tretauto zum Schlachtschiff" Erinnerungen des 90-jährigen Dießener Ernesto Rudolf Hofmann. Auf der Insel Java geboren, landet er auf seine alten Tage am Ammersee. Der Fortsetzungsroman eines bewegten Lebens, Teil 2: Folge 42

Ernesto Rudolf Hofmann ist der Seebär. Graphik: Pax et Bonum Verlag

Folge 42

Ich hatte das unermessliche Glück, in ein Jahr der „Gnade einer frühen Geburt" hineingeboren zu werden. Der Begriff stammt meiner Erinnerung nach von Bundeskanzler Kohl. Dieser Jahrgang (1931) wurde gerade noch vom unmittelbaren Kriegseinsatz an der Front verschont, obwohl bestimmte Kreise bereits ein sehnsüchtiges Auge auf uns geworfen hatten. Diese Generation konnte dadurch auch die Nachkriegszeit unbeschwert und viel bewusster durchleben mit allen – leider einigen unschönen – Emotionalitäten wie zum Beispiel die der 1968er Jahre. - Das ist dann die eine gute Seite dieser (weltlichen) Gnade. Und Gnaden sind bekanntlich immer gut.

Die zweite Gnadenkomponente der „Gnade einer frühen Geburt", die göttliche, ist die des Geschenks eines längeren Lebens, wenn man es erlebt, und des daraus stetig erwachsenden Gottesbewusstseins, je älter man wird. Dieses ist gewissermaßen ein Reifeprozess. Das hat, wie ich schon aus meiner Umgebung hörte und ich möchte das ausdrücklich betonen, nichts mit wachsender Religionsduselei im Alter, oder mit einem schlechten Gewissen angesichts eines nahenden Todes zu tun. Es ist im Gegenteil der Segen des Alters, sich bewusster zu werden, dass man durch den Berufs- undFamilienstress das zentrale Lebensziel - „Gott" -ein bisschen aus den Augen verloren hat, auch wenn man als Jugendlicher mit Leib und Seele Ministrant war (wie ich bei Pater Delp). Das Gottesverständnisist gewachsen, die Gottesliebewar schon immer da. -Die Gedanken sind jetzt unbelasteter, was früher eben umständehalber noch nicht der Fall war. Das Wort „Gnade" ist wörtlich zu nehmen, denn ein solches intensives Gottesbewusstsein ist bei einem in jüngeren Jahren Heimgegangenen noch nicht so ausgeprägt. Da kann aber er/sie nichts dafür. Seine/ihre Zeit war dafür noch nicht reif.Dies ist für mich eine ganz wesentliche und dankenswerte Erkenntnis, sie jetzt in meinem hohen biblischen Alter so bewusst erleben zu dürfen!-Für das Interesse an der Familienchronik gilt dasselbe. Erst in den späteren Jahren begann ich mich intensiv mit der Familienforschung und auch dem Unterhalt und Pflege der wiederaufgefundenen Gräber und Dokumente meiner Urahnen auf dem Alten Südfriedhof in München zu befassen.

Ich habe lange mit mir gerungen - zum Abschluss meiner Gedanken -,ob ich Ihnen der Intimität dieses Gebetes wegen Einblick in meine Seele gewähren lassen soll oder nicht.Es wärejedoch bei längerer Betrachtung als in hohem Maße egoistisch und unverantwortlich, Ihnen dieses meinHochgebet zu verwehren, denn es enthält alle überkonfessionellen Elemente sämtlicher Religionen in einem Satz, das Ihnen Allen bei andächtiger Anwendung den Himmel öffnen könnte. Und wenn es mir hilft, soll es auch Ihnen helfen. Den Schlüssel dazu möchte ich Ihnen jetzt doch nach längerer Überlegung an die Hand geben. Darf ich Ihnen zum Abschluss meines philosophischen Ausfluges mein allabendliches Gebet verraten?:

„Geliebter Heiliger Geist, lasse mich bitte immer gottgefällig leben. Ich bitte Dich um Deine Fürsprache bei Gottvater um Vergebung aller meiner Sünden aus diesem Leben, die ich Gottvater, meinen Mitmenschen und meinen Mit-Tieren gegenüber begangen habe. Ich bitte um Verzeihung und Vergebung. Ich bereue alles zutiefst und ich schäme mich dafür". Zwischen „Verzeihung" und „Vergebung" besteht im Übrigen ein wesentlicher Unterschied, daher die augenscheinliche Doppelnennung.

Darüber hinaus lasse ich den Abend nicht ausklingen ohne mich für den schönen Tag und morgens für die schöne Nacht zu bedanken. Auch Maria, die Engel, mein Schutzengel, meine verstorbenen Lieben und meine Wohltäter werden nie vergessen. Manchmal fallen mir aber schon vorher die

Augen zu ...

In dieser zweiten Auflage dieses Buches kann ich nun berichten über meine gesammelten Gedanken nach meinem Besuch an das Heilige Land vor zwei Jahren. Leider musste mein zweiter Besuch im Dezember 2020 wegen Tante Corona abgesagt werden bzw. meine Buchung wurde storniert. Schade, denn ich habe beim ersten Mal einiges versäumt, was ich dieses Mal nachholen wollte. Zum Beispiel hat mir kein Mensch gesagt, dass sich der Garten Gethsemane unmittelbar unter unserem Hotel „Seven Arches" befand, das selbst auf dem Berg Sion stand. Man brauchte nur die Straße zu überqueren… Ich fand diese Nachlässigkeit schon happig, denn es hat mir sehr weh getan. Dafür hätte man anderes, profanes, ruhig sausen lassen können.

Wenn man also wieder zuhause ist und seine Gedanken, die Souvenirs und die Fotos alle auf die für sie bestimmte Reihe gebracht hat, dann kommt man zu ganz neuen gestärkten Glaubenserkenntnissen. Ich glaube, man muss erst einmal eine Reise wie diese unternommen haben, um überhaupt einmal die unermessliche wunderbare Tragweite unserer christlichen Konfession für heute und demnächst zu erfassen, wie vielseitig und wunderschön und doch voller immenser persönlicher und göttlicher Tragik unser Glauben ist.

Sollte noch jemand daran zweifeln, dann wird er/sie dort davon überzeugt werden, dass Jesus kein Märchenonkel ist. Wenn man erst einmalvor Ortist, zunächst in Galilea (Nazareth, Tiberias, Kapharnaum), dann in Jerusalem, kann man die seinerzeitigen Geschehnisse in Ruhe und in Frieden die Revue passieren lassen, vorausgesetzt man hat ein bisschen Ahnung vom Neuen Testament.

So erging es mir am Ort der Geburt Jesu in Bethlehem. Lassen Sie ruhig Ihre Glaubensvorstellung auf Ihr Gemüt einwirken, was sich an der Stelle dieses einen Quadratmeters - historisch überliefert! - abgespielt hat, das das Schicksal der ganzen Menschheit so radikal veränderte.

Dermaßen intensiv erfuhr ich das am gesamten See Genezareth, am Ort Mariä Verkündigung in Nazareth, am Ort der Auswahl seiner Apostel in Kapharnaum, (wo am Bootssteg ausgerechnet das Schild steht: „Fishing Prohibited"), dem Berg der Seligpreisung (der leider fast völlig zubetoniert ist), am Ort der Wunderbaren Brotvermehrung, an der geschichtlich überlieferten Taufstelle Jesu am Jordan bei Jericho nahe dem Toten Meer (lassen Sie sich im Jordan ruhig noch einmal taufen, es ist ein wegweisendes Erlebnis!) und schließlich dem Ort seines Schicksals Jerusalem mit allem, was ihm dort widerfahren ist.

Einmal wieder zuhause, hat man Jesus aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen gelernt. Viel abgeklärter im Hinblick auf seine Mission, sein ganzes Leben und sein Leiden. Ihn so zu verniedlichen, wie wir im Westen das tun, verkennen wir seine Persönlichkeit. Jesus war während seines Daseins ein gestandener Mann und als gelernter Zimmermann auch nicht gerade ein körperlicher Schwächling, der auch mal jähzornig werden konnte (Geldwechsler im Tempel!); kein Wunder bei solcher Menschheit…

Jesus´ Leben war Demut, Barmherzigkeit, Tat, Wort und Liebe. Erfahren Sie es auch so wie ich?

Sollten Sie das Glück haben, eine solche Reise ins Heilige Land antreten zu können, dann machen Sie es. Sie kommen, vor allem nach einem Besuch an Jerusalem, als völlig neuer Mensch zurück. Ich habe es selbst nicht für möglich gehalten und staune heute noch Bauklötze über mich selbst.

Vor allem den Seelenhirten und allen, die es werden wollen, empfehle ich diese geistige Neue Taufe an den Orten unserer Glaubensgeburt. Sie würden geläutert, neu ausgerichtet und insbesonderetoleranter zurückkommen. Mit vielen neuen und vor allem menschlicheren Erkenntnissen ausgestattet, könnte das viele in der Vergangenheit zerschlagene Selbstgefälligkeitsporzellan nicht nur gekittet werden (das Leid selber lässt sich nicht mehr kitten), sondern erst gar nicht mehr entstehen. Das würde sehr zum Segen ihrer Schafe gereichen und Kirchensteuern vielleicht sogar wieder sprudeln lassen.

+ + +

Da ich jedoch kein Theologe bin, nehmen wir jetzt wieder festen Boden unter die Füße, und das ist auch wieder relativ, denn so fest war er nun auch wieder nicht:

Zurück zum Schiff – wir sind immer noch in Gladstone - entdeckte ich im strömenden Regen ein Schwimmbad. Wir hatten einfach Lust, wieder einmal Süßwasser zu schmecken und stürzten uns in die verlassenen Fluten. Schon auf dem spiegelglatten hölzernen Sprungbrett brach man sich das Genick, sodass wir einfach aus der Not eine Tugend machten und es, wenn schon, wie ausgelassene Kinder gezielt zur Rutschbahn umfunktionierten. Als wir dann endlich aus dem Wasser stiegen, hatte jeder von uns mindestens einen Blutegel auf der Schwarte. Wie man uns später, zu spät, erzählte, war das der Grund, weshalb das Schwimmbad vor langer Zeit aufgelassen wurde. Warum erfährt man so etwas nicht vorher?? Es hätte ja auch ein Zuchtbecken für Piranhas oder Krokodile gewesen sein können…

Die Torres-Straße bewies die Richtigkeit meiner damaligen Aussage vor der Examenkommission der Postdirektion, dass Merauke tatsächlich an der Südküste von Neu-Guinea lag, denn wir fuhren in Sichtweite daran vorbei. Auch wenn kein Ortsschild daneben stand. Sie erinnern sich sicher aus dem ersten Teil, dass mein Examinator im Postministerium behauptete, Merauke läge an der Nord- und Hollandia an der Südküste... Aber er sammelte ja auch keine Briefmarken. Nobody is perfect. Leider ergab sich keine Gelegenheit, ihm eine Postkarte zu schicken.

Die weitere Strecke sollte über Leben und Todzweier unserer chinesischer Besatzungsmitglieder entscheiden. Wir waren dabei, die in Cairns entleerten Tanks gasfrei zu machen, als einer unserer chinesischen Decksleute zum Reinigen hinabstieg und nicht mehr hochkam. Der Bootsmann stieg hinunter, um ihm zu Hilfe zu eilen und er fiel ebenfalls bewusstlos um. Um sie zu retten, mussten beide so schnell wie möglich an Deck in die frische Luft. Alles wurde in Alarmbereitschaft versetzt und unser erster Steuermann stieg mit einem Atemschutzgerät in den Tank und die beiden Bewusstlosen wurden an Deck gebracht, um sie zu reanimieren. Dazu hatten wir ein Sauerstoffgerät, das mit Sauerstoffpatronen bestückt war, wie man sie multifunktional zum Whiskey-Soda auch hernehmen kann. Mit buchstäblich der allerletzten Sauerstoffpatrone holten wir auch den zweiten armen Kerl ins Leben zurück. Alle Chinesen standen in angstvoller Entfernung und schauten zu. Es war schlicht und einfach sträflicher Leichtsinn, für den der Bootsmann, der selber Opfer war, die Verantwortung trug. Und am Ende der Kette muss immer der Kapitän für alles geradestehen. Die Sache ist gottlob gut ausgegangen und uns blieb das erspart: Falls an Bord einer der Chinesen stirbt, haut im nächstbesten Hafen die gesamte Besatzung aus Angst vor dem Geist des Verstorbenen ab. Deshalb muss in so einem Fall unter allen Umständen vermieden werden, dass die alte und die frische Besatzung am Flughafen aufeinander trifft.

Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir über einen weiteren Abstecher nach Balik Papan den Hafen von Singapore. Nun standen zu unserer Freude zwei Reisen nach Pladjoe auf dem Programm, die uns die Gelegenheit geben sollten, unseren früheren „Geschäftsbeziehungen" neuen Auftrieb zu verleihen. - Ein nächster Lichtpunkt in unserer Hafensammlung war Hong Kong. Diese Stadt war für mich ein Traum, denn ich erlebte sie noch fast im Ursprungszustand und deckte mich gottlob mit Fotos ein, was mir fünfzig Jahre später, als ich mit Gabriele noch einmal dort war, zeigen sollte, wie sich diese Stadt in den fünfzig Jahren danach verändert hat. Sie war nicht wiederzuerkennen. Im Jahr 2006 dominierten gewaltige Bank-Hochhäuser die Stellen, wo früher malerische Fischerdörfer und Fischereihäfen das Ortsbild beherrschten. Selbstverständlich genoss ich schon damals die rumpelnde Straßenbahn, die 2006 ihr hundertjähriges Jubiläum feierte. Auch die Peak-Tramway war ein unvergessliches Erlebnis. Die Gipfelstation war noch nicht mit abscheulichen Gebäuden wie dem Pleitebau Mövenpick zugekleistert und die Aussicht über die Victoria-Bay und die hinter uns liegende Repulse-Bay war noch frei einsehbar. Auf der Endstation halfen wir einem armen Touristen, sein Geld wieder einzusammeln, als sein Geldbeutel heruntergefallen war und sich sein Kleingeld in weitem Umkreis verselbstständigt hatte.

Fortsetzung folgt

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