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Aus Abenteuerlust ins Kloster. Von Peter Stöbich

Eine wechselvolle Geschichte hat das heutige Kloster Bernried. Das Bildungshaus in Bernried gibt es seit vier Jahrzehnten. Foto: Bildungshaus Bernried

Bernried – Den Kauf der Klosterimmobilie und die Übernahme des Bildungshauses St. Martin durch die Gemeinde Bernried hält Beate Grupp für "eine optimale Lösung, über die wir uns sehr freuen". Denn das bedeute für die Missions-Benediktinerin, dass die Identität des Anwesens gewahrt bleibt, nämlich "Zeugnis zu sein für die Verbundenheit zwischen Himmel und Erde mit der Bestimmung, ganzheitliche Bildung zu fördern". Das zieht sich wie ein Bogen von den Zeiten der Augustinerchorherren über das Kloster und Bildungshaus St. Martin bis zu dem von der Gemeinde Bernried vorgesehenen Ort für Klein- und Schulkinder.

Als Schwester Beate 1967 als 21-jährige ins Kloster eingetreten war, geschah das nicht nur aus religiöser Überzeugung: "Ich war abenteuerlustig und wollte was von der Welt sehen", sagt die 75-Jährige; durch die internationale Kongregation der Missions-Benediktinerinnen bekam sie hautnahen Kontakt mit Menschen auf den Philippinen, Kenia und Tansania.

Dass sie nicht Reiseleiterin, sondern Ordensfrau geworden ist, hat sie nie bereut, dass sie keine eigene Familie hat, schon immer wieder mal. "Als junge Frau habe ich mich damit auseinandergesetzt und die Berufung war dann doch das Wichtigere!"

Seit mehr als einem halben Jahrhundert folgt sie nun schon dieser Berufung und hat dabei viele Höhen und Tiefen erlebt, wie sie sehr anschaulich und lebendig erzählt. Denn Schwester Beate ist eine Klosterfrau, die gut in der Fernsehserie "Um Himmels Willen" mitspielen könnte: Die Sozialpädagogin spricht fließend Englisch und hat eine Ausbildung in Themenzentrierter Interaktion, einer Methode zu lebendigem Lernen in Gruppen. In den vergangenen Jahren kamen unzählige Frauen (manchmal auch Männer) an den Starnberger See, um auf Basis der Bibel mit- und voneinander zu lernen. "Wir laden in unseren Kursen zur Auseinandersetzung mit dem Leben, dem Glauben sowie den gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen in heutiger Zeit ein", sagt sie. Schwerpunkte sind Glaubens- und Persönlichkeitsbildung bei Meditations- und Fastenwochen, meditativem Tanz, Familienferien sowie Frauen- und Kommunikationsseminaren. Sie spricht von der Regel des Heiligen Benedikt, der seine Klostergemeinschaft als eine "Schule des Lebens" konzipiert hat. Dieses Zusammenleben in einer benediktinischen Frauengemeinschaft auf Lebenszeit bedeute lebenslanges Lernen. "Dazu haben die Erlebnisse und Erfahrungen mit den Armen in nicht-westlichen Ländern mein Weltbild total verändert!"

Sensibilisierung für die "Eine Welt", Politik mit dem Einkaufskorb, Bewusstseinsbildung, Kommunikation – ihre vielfältigen Aufgaben und Projekte haben Schwester Beate jung gehalten. Jetzt will sie mit 75 Jahren künftig doch etwas kürzer treten und ihre Freiräume genießen, etwa eine Woche lang durch die „Heilige Landschaft Pfaffenwinkel" pilgern.

Auch mit den modernen Medien hat sie sich vertraut gemacht und hält per PC Kontakt zur Welt außerhalb des Klosters, in dem derzeit noch zehn Frauen in enger Gemeinschaft leben. Für sie beginnt der Tag um 6.30 Uhr mit Psalmensingen, um 12 Uhr folgen das Mittags- und um 17.30 Uhr das Abendgebet. Gemäß ihrem Armutsgelübde haben die Ordensmitglieder so gut wie keinen persönlichen Besitz, erzählt Beate, "alles gehört der Gemeinschaft". Das sei freilich auch ein großer Vorteil: "Der Verzicht auf materielle Güter bedeutet innere Freiheit!"

Freiheitsliebe ist ihr sehr wichtig und so verfolgt sie interessiert, was in der katholischen Kirche und der Welt gerade geschieht, sei es die Pilgerreise von Papst Franziskus in den Irak oder die Frauenbewegung Maria 2.0, sei es die Missbrauchs-Debatte im Erzbistum Köln oder die Heirat von Anselm Bilgri, des Ex-Priors von Kloster Andechs mit seinem Lebensgefährten. "Seinen Glauben leben heißt auch, sich einzumischen", sagt sie und dabei blitzt auch etwas von ihrer früheren Abenteuerlust durch.

Außer über ihre neuen Möglichkeiten im Alter freut sie sich besonders auf die geplante Nachfeier zum 900-jährigen Bestehen des Klosters, das 1120 durch Graf Otto I. von Valley und seiner Gattin Adelheid gegründet worden war. Wegen der Corona-Pandemie musste das für heuer geplante Jubiläum verschoben werden, "aber dann werden wir halt 901 Jahre feiern", meint die lebenslustige Ordensfrau.

Im Jahr 1941 hatte das Reichsinnenministerium das Bernrieder Schloss mit dem dazugehörenden Park gekauft. Von 1942 bis 1948 verlegte man dorthin die Orthopädische Klinik aus München; 1949 wurde das säkularisierte Augustiner-Chorherren-Stift wieder Kloster: Die Missions-Benediktinerinnen aus Tutzing erwarben die alte Anlage und gründeten in den Gebäuden eine Haushaltungsschule mit Internat. 1972 wurde die Schule aufgegeben und das Haus in ein Bildungshaus für kirchliche Erwachsenenbildung umgewandelt.

Die Nachwuchssorgen in der Kongregation und die zunehmenden Herausforderungen, die bei der Instandhaltung der Klosterimmobilie anfallen, brachten die Ordensschwestern immer mehr an ihre Kapazitätsgrenzen. Vor allem der Brandschutz bereitete Sorgen und hätte enorme Investitionen erfordert.

Die Suche nach Kooperationen, Investoren oder alternativen Betreibermodellen war lange Zeit nicht erfolgreich, doch jetzt ist eine optimale Lösung gefunden: Die Gemeinde Bernried will das Kloster von der Kongregation der Missions-Benediktinerinnen erwerben und sich an die Planungen für den Umbau des Ostflügels zum Grundschulstandort machen. Parallel dazu wird die Kommune auch die Trägerschaft für das Bildungshaus übernehmen – und zwar unter dem Dach eines noch zu gründenden Kommunalunternehmens (KU). Der Tagungsbetrieb mit drei Dutzend Mitarbeitern soll auf kleinerer Basis im West- und Südflügel weitergeführt werden.

Der geistig-spirituelle Charakter soll erhalten bleiben. Auch werden weiterhin Ordensschwestern im Kloster wohnen. Der aktuell überdimensionierte Küchentrakt im Bildungshaus soll eventuell auch andere Einrichtungen verpflegen und zum Beispiel für den noch im Umbau befindlichen Sommerkeller gastronomische Angebote bereitstellen.

Den Blick auf den Starnberger See genießt Schwester Beate vom Festsaal des Klosters aus. Foto: Stöbich
Schwester Beate in einem der vielen Gänge des ehemaligen Klosters. Foto: Peter Stöbich

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